Straßenausbau, Brückensanierung: In Hamburg wird immer irgendwo gebaut. Damit einher gehen Sperrungen und viel Lärm. Die meisten Anwohner sind darüber verärgert.

Die Akustik ist gut und es gibt reichlich Laufpublikum – dennoch hat sich Jenifer Divine mit der S-Bahnstation Sternschanze vermutlich den schlechtesten Ort der Stadt für ihren Job ausgesucht. Sie ist Straßenmusikerin und sitzt unter der Eisenbahnbrücke mit ihrer Gitarre auf einem Hocker. Ihre Musik geht völlig unter. Alle, die zur S-Bahn laufen, hören nur eines: Baustellenlärm.

Denn nur fünf große Schritte von der Straßenmusikerin entfernt, wird gebaut. Hinter einem Zaun, dröhnt ein Presslufthammer, ein Bagger schüttet lautstark Steine auf. „Kurz nachdem ich angefangen habe zu spielen, haben die hier mit den Arbeiten begonnen. Normalerweise machen die mittags etwas länger Pause“, schreit Divine gegen den Presslufthammer an. „So ist das wirklich beschissen.“

Die Deutsche Bahn will hier die Eisenbahnbrücke erneuern. Seit fast einem Jahr laufen entsprechende Vorbereitungen: Kabel werden modernisiert, Leitungen erneuert. Die Baustelle ist nur eine von vielen. Im gesamten Hamburger Straßennetz gibt es pro Jahr über 20.000, schätzt die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM). Hinzu kommen Baustellen von Bauträgern, die unabhängig von der BVM agieren. Die meisten werden für Leitungsarbeiten und Straßensanierungen eingerichtet. Sehr zum Leidwesen der Hamburger.

„Ich muss mit meinem Rad immer Umwege fahren wegen der ganzen Baustellen in der Stadt“, beklagt sich Matthias Röpke, der als Postbote in der Schanze arbeitet. „Deshalb habe ich gerade auch keine Zeit.“ Er schnappt sich einen Packen Briefe und verschwindet in einem Hinterhof.

„Die ganzen Baustellen nerven derbe“, findet auch Martin Welters, der gerade unter der Schanzenbrücke herläuft. Am meisten störe ihn eine im Stadtteil Rothenburgsort. „Genau vor meiner Haustür hatten sie vor zwei Monaten die Straße aufgerissen“, berichtet der 44-Jährige. Kurze Zeit war die Straße dann wieder freigegeben, nun gibt es erneut eine Baustelle. Besonders blöd daran sei, dass auch die Bushaltestellen verlegt wurden. Aber Welters sieht auch etwas Positives am Baugeschehen: „Das muss halt ab und zu sein. Dafür kann man sich über das Ergebnis freuen.“

Ganz entspannt blickt Tim Jaacks auf das Thema, der im Kiez gerade sein Baby im Kinderwagen umherschiebt. „Die Baustellen sind halt notwendig, auch wenn sie oft stören“, sagt er. Der 40-Jährige wohnt an der Schanzenbrücke, direkt an der Baustelle. Noch findet er alles aushaltbar. Im Sommer, wenn die Fenster öfter offen sind, könnte es störender werden, sagt er: „Dann werden wir vermutlich viel Zeit im Park verbringen.“

„Im Lagerraum vibriert alles“

Dem Ende der Bauarbeiten fiebert Rreza, die nur mit dem Vornamen genannt werden möchte, hingegen sehr entgegen. Die 24-Jährige arbeitet als Verkäuferin bei Edited, einem Kleidungsgeschäft, das sich direkt an der Sternbrücke befindet. Normalerweise sind die Türen dort immer geöffnet – doch bei dem Krach sei das nicht auszuhalten. Auch die Erschütterungen spüre sie während ihrer Arbeit: „Im Lager und im Pausenraum vibriert alles.“

Und die Baustelle bringt noch ein anderes Problem mit sich: „Ich stehe den ganzen Tag hier rum und habe kaum etwas zu tun“, erzählt Rreza. „Es kommen deutlich weniger Kundinnen als sonst. Die ganze Laufkundschaft ist weggebrochen, denn aktuell sieht man den Laden gar nicht mehr.“ Tatsächlich beginnt die Baustelle kurz vor dem Eingang, einer der Wege dorthin ist komplett dicht.

Auch Straßenmusikerin Jenifer Divine hat noch nicht allzu viel eingenommen an diesem Tag. Kein Wunder, wenn ihr Gesang im Lärm untergeht. Sie packt ihre Sachen zusammen und zieht in den Tunnel zwischen S-Bahn und U-Bahn um, wo der Krach nicht zu hören ist. Ein deutlich besserer Platz, um die eigene Musik zu präsentieren.

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