Wie das Ohr funktioniert, ist eigentlich gut erforscht. Nun aber berichten Wissenschaftler: Das Organ sei deutlich komplexer als bisher angenommen.

In einer Welt voller Geräusche ist unser Gehör oft überfordert. Stellen Sie sich zum Beispiel folgende Situation vor: Sie sitzen in einem Café, jemand liest Ihnen eine Geschichte vor, während im Hintergrund zwei Gespräche gleichzeitig laufen. Können Sie der Handlung folgen? Oft ist dies schwierig.

Neue Forschungen legen nun nahe, dass unsere Ohren mehr leisten, als wir bisher dachten. Demnach verfügen Menschen über uralte Muskeln im Ohr, die uns helfen können, in lauten Umgebungen besser zuzuhören. Diese überraschende Entdeckung haben Forscher um Andreas Schröer und Daniel Strauss von der Universität des Saarlandes gemacht.

Ihre Untersuchung zeigt, dass wir unsere nur noch rudimentär vorhandenen, sogenannten aurikulären Ohrmuskeln tatsächlich nutzen – und zwar nicht nur zum Ohrenwackeln, sondern auch zum angestrengten Zuhören. „Es gibt drei große Muskeln, die die Ohrmuschel mit dem Schädel verbinden und wichtig für das Wackeln mit den Ohren sind“, erklärte Studienautor Schröer. Besonders der Musculus auricularis superior spiele hierbei eine Rolle.

Die Forscher führten umfangreiche Tests durch. Dabei wurden bei 25 Personen Elektroden an den oberen Ohrmuskeln angebracht. Die Probanden hörten nicht nur ein Hörbuch, sondern auch zusätzlich störende Podcasts aus Lautsprechern. Dieser Test wurde für die Dauer von zwölf Minuten und in jeweils drei verschiedenen Schwierigkeitsstufen durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, wie gut die Teilnehmer der Handlung folgen konnten und wie stark sie sich dabei anstrengen mussten.

Im Anschluss bewerteten sie also das Ausmaß ihrer Anstrengung und sollten schätzen, wie häufig sie der Handlung des Hörbuchs nicht mehr hatten folgen können. Zusätzlich wurden sie nach den gehörten Inhalten befragt.

Studienautor Strauss berichtete von seinen Beobachtungen: „Unsere vorherigen Studien zeigten schon 2020, dass diese Muskeln aktiv werden, wenn wir interessante Geräusche hören und nicht genau wissen, woher sie kommen.“ Die neuen Tests bestätigten nun: Die oberen Ohrmuskeln reagierten besonders auf Aufgaben mit hoher Höranstrengung. Ein Ergebnis war, dass bei steigendem Schwierigkeitsgrad die Aktivität dieser Muskeln zunahm – proportional zur Anstrengung der Zuhörer.

Die Aktivität der oberen Ohrmuskeln könnte daher „einen objektiven Maßstab für die Höranstrengung eines Menschen darstellen“, sagte Schröer abschließend zu den Forschungsergebnissen, welche in „Frontiers in Neuroscience“ veröffentlicht wurden.

Obwohl noch unklar sei, ob dieser Mechanismus tatsächlich beim Hören helfe – festzuhalten bleibt: Unsere Ohren arbeiten härter als gedacht, um uns hören zu lassen – vor allem inmitten eines akustischen Durcheinanders.

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