Noch nie stand Alexander Zverev im Endspiel der Australian Open. Nun zog er gegen den Rekordsieger ins Finale ein – weil der Gegner plötzlich vom Platz ging.

Was für ein dramatischer Nachmittag in Melbourne. Im mit Spannung erwarteten ersten Halbfinale zwischen dem Rekordsieger Novak Djokovic und dem Hamburger Alexander „Sascha“ Zverev gab es auf dem Centre Court in der Rod Laver Arena zum Schluss Buhrufe von den Rängen. Und die galten dem womöglich besten Tennisspieler aller Zeiten: dem Serben Djokovic. Der 37-Jährige erlebte einen aufreibenden, für ihn unrühmlichen Abgang an diesem Tag im Melbourne Park.

Nach einem äußerst ausgeglichenen ersten Satz mit vielen Ballwechseln auf Weltklasseniveau und einem ebenso knappen Tiebreak, in dem der deutsche Tennisstar Zverev die Oberhand behielt, gab Novak Djokovic auf. Eine Verletzung ließ nicht zu, dass er zum zweiten Satz antrat.

Die Zuschauer, die noch völlig euphorisiert waren, von dem, was die beiden Tenniskünstler im ersten Durchgang geboten hatten, verstanden zuerst nicht, was passiert. Erst als der Schiedsrichter das Match offiziell für beendet erklärte, schwante dem Publikum, dass dieses spektakuläre Duell keine Fortsetzung fand. Da waren zwar erst anderthalb Stunden gespielt, aber gerade einmal der erste Satz entschieden – das allein zeugt schon von der Intensität der Auseinandersetzung, die sich die beiden Kontrahenten lieferten.

Wohl auch deswegen war die Enttäuschung auf den Rängen riesig. Der nach Titeln erfolgreichste Tennisspieler der Geschichte hatte sogar noch die Größe, sich beim Publikum zu bedanken und ihm zum Abschied zu winken – obwohl von den Tribünen laute Buhrufe schallten. Dann verschwand der Serbe im Bauch des Stadions.

Hinterher zeigte er sich enttäuscht von den ablehnenden Reaktionen. Auf Nachfrage der serbischen Journalisten, wie er die Reaktionen in der vollbesetzten Rod Laver Arena empfunden habe, wehrte Djokovic ab. Er wolle lieber nicht weiter darüber reden, das verbiete ihm die Höflichkeit. Es war unschwer zu erraten, was er sonst gesagt hätte.

Auch Zverev hatte seinen langjährigen Kontrahenten und „guten Freund“, wie der Hamburger sagte, verteidigt. Noch auf dem Centre Court bat er das Publikum um Verständnis. „Bitte“, sagte Zverev an die Tennisfans in Melbourne gewandt, „buht keinen Spieler aus, der gerade wegen einer Verletzung aufgegeben hat“. Er sei überzeugt davon, dass Djokovic nicht mehr habe weiterspielen können.

„Ich habe ihn schon mit allen möglichen Verletzungen Turniere gewinnen sehen. Novak ist niemand, der einfach so aufgibt. Er hat in den vergangenen 20 Jahren viel für den Tennissport getan, bitte gebt ihm den Respekt, den er verdient hat.“

Djokovic bestätigte die Verletzung in der Pressekonferenz. So habe er sich im Viertelfinale gegen den Spanier Carlos Alcaraz einen Muskelfaserriss zugezogen. Dieser habe ihm nun auch gegen Zverev zu schaffen gemacht und schließlich am Weiterspielen gehindert. Der zehnmalige Australien-Open-Sieger bedauerte seine Aufgabe.

Was für die Zuschauer im Stadion nur zu erahnen war, hatte Zverev offenbar schon während des Spiels gesehen. Im TV-Sender Eurosport sagte er: „Er hat sich vielleicht ein bisschen langsamer bewegt zwischen den Ballwechseln. Ich fand aber, er hat noch viele Bälle bekommen, er hat sich recht gut bewegt. Schwierig, jetzt was darüber zu sagen.“

Zverev erreicht durch die Aufgabe des Serben zum dritten Mal ein Grand-Slam-Finale. Seine bisherigen Endspiele bei den US Open 2020 und den French Open im Vorjahr hatte er beide verloren. „Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich mal ein bisschen Glück in einem Finale habe“, meinte der Hamburger.

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