„Vertikale Hochschaubahn“

Paternoster: Wo gibt es die Aufzüge noch?

In Deutschland sind noch rund 200 Paternoster in Betrieb. In öffentlich zugänglichen Gebäuden sind diese besonderen Aufzüge meist ein Besuchermagnet. Dabei sollten sie schon mehrmals stillgelegt werden.

Aktualisiert am 09.06.2022|Lesedauer: 6 Min.

Seine offenen Kabinen bewegen sich endlos durch zwei Schächte hindurch. Haltestellen gibt es keine. Wer mitfahren will, muss während der Fahrt einsteigen. Der Paternoster ist eine sehr spezielle Form eines Aufzugs.

Paternoster im Rathaus Duisburg: Die offenen Aufzüge erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. (Quelle: Reichwein/imago-images-bilder)

„Für mich ist es ein besonderes Erlebnis, dieses heute archaisch anmutende Transportmittel zu benutzen“, sagt Robin Augenstein, Doktorand an der Universität Hamburg. Er promoviert zu der Frage, wie heute und in Zukunft historische Aufzüge als technische und architektonische Denkmale erhalten bleiben können. Beim Fahren mit dem Paternoster könne man die Technik ganz unmittelbar spüren – durch die Geräusche der Zahnräder und Ketten, die Vibrationen der Kabine während der Fahrt und den Geruch von Maschinenfett.

Und Augenstein findet noch etwas anderes bemerkenswert: „Man kann aus dem Paternoster heraus die ihn umgebende Architektur ganz neu und aus anderen Blickwinkeln erfahren – sozusagen als vertikale Hochschaubahn.“

Die Kabinen dieser „Hochschaubahn“ fahren in einem Schacht nach oben, in einem anderen wieder nach unten. „Das Paternosterprinzip beruht auf der Bauform von Schöpfwerken, wie sie schon in der Antike und im Mittelalter zur Entwässerung genutzt wurden“, erklärt Experte Augenstein. Bei dieser hängen mehrere Gefäße an einem endlosen Seil. So sind auch die Kabinen des Paternosters an Vor- und Rückseite jeweils an einer Stahlkette befestigt. Diese wird am oberen und unteren Ende eines Schachtes mithilfe großer Zahnräder oder Scheiben umgelenkt.

Durch eine versetzte Anordnung der Ketten werden die Kabinen einfach zur Seite gesetzt und bleiben dabei in einer aufrechten Position – wer nicht rechtzeitig aussteigt, muss also keine Angst haben, auf den Kopf gedreht zu werden.

„Der Antrieb erfolgt heute durch einen Elektromotor, bis in die 1910er- und 1920er-Jahre war auch Dampfkraft gebräuchlich“, so Augenstein.

Paternoster heißt übersetzt „Vater unser“, der Aufzug ist benannt nach dem christlichen Gebet. Dieses ist in der Regel Teil des Gebets mit Rosenkranz, der früher „Paternosterschnur“ genannt wurde. Er hat einen ähnlichen Aufbau wie der Aufzug: So wie die aneinandergereihten Perlen des Rosenkranzes beim Gebet durch die Finger gleiten, laufen die an den Ketten aufgehängten Kabinen in einer Endlosschleife.

Umgangssprachlich werden Paternoster auch „Beamtenbagger“ genannt, da sie typischerweise in Verwaltungsgebäuden zu finden sind.

Ursprünglich beförderte der Paternoster aber keine Beamten, sondern Pakete. Der erste bekannte Aufzug dieser Art wurde 1875 in das General Post Office in London eingebaut. Er war von einem Techniker namens Turner entwickelt worden (sein Vorname ist unbekannt). 1880 arbeitete ihn Peter Hart für den Personentransport um. Der „Hart’s Cyclic Elevator“ wurde zuerst in Geschäftsgebäuden in London und Glasgow installiert. In der Folge wurde der Paternoster als Revolution in der Aufzugstechnik gefeiert.

Fünf Jahre später kam diese Form nach Deutschland: In das neue Kontorhaus Dovenhof in Hamburg wurde ein Paternoster eingebaut, der mit Dampfkraft betrieben wurde. Mit der Zeit wurde Hamburg sogar zur Paternoster-Hauptstadt Deutschlands: 1901 gab es rund 40 Paternoster in der Hansestadt, 1905 bereits knapp doppelt so viele. 1936 fuhr Wikipedia zufolge mehr als jeder zweite der 679 Paternoster in Deutschland dort auf und ab.

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