Nationalistisch, orthodox und putintreu: Das ist Russlands größter Rockerclub.

„Wo wir sind, ist Russland“. Dieser Slogan prangt auf der Kutte von Alexander „Chirurg“ Saldostanow. Saldostanow ist der Präsident des russischen Motorradclubs „Nochnye Volki“ zu Deutsch: Nachtwölfe. Wo andere Rockerclubs wie die Hells Angels oder die Bandidos traditionell die Politik meiden und sich als außerhalb der Gesellschaft stehende Außenseiter inszenieren, suchen die Nachtwölfe die Nähe zur Macht und besonders zu Putin.

Doch das war nicht immer so. Der 1989 als erster seiner Art in Russland gegründete Rockerclub verstand sich zunächst als russischer Ableger der klassischen Motorradclubs. Er unterhielt gute Kontakte zu Hells Angels Chapters in Westeuropa, besonders enge Verbindungen pflegte er zu den dänischen Gruppen.

Saldostanow war Türsteher in Berlin-Schöneberg

Der auf der Krim geborene Saldostanow wurde im Westen teil-sozialisiert: In den 80er-Jahren lebte für ein paar Jahre in Westberlin, wo der studierte Mediziner als Türsteher im legendären Punk-Club „Sexton“ arbeitete, eine Deutsche heiratete und erste Kontakte zu Mitgliedern der Hells Angels knüpfte.

Zurück in Moskau arbeitete er laut eigenen Angaben als Gesichtschirurg. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der er kritisch gegenüberstand, unterstützte Saldostanow den pro-westlichen Kurs Jelzins. Doch Anfang der 2000er-Jahre änderten sich mit der Wahl Putins nicht nur das gesellschaftliche Klima in Russland, sondern auch Saldostanows Einstellungen.

Ein Priester bekehrt ihn

Sein „Damaskuserlebnis“ war ein Gespräch mit einem orthodoxen Priester, wie er selbst immer wieder erzählt. Dieser habe ihm eröffnet, dass er Russland retten müsse. Daraufhin wandte sich Saldostanow dem orthodoxen Glauben zu und wurde zum glühenden Patrioten. Die Nachtwölfe, über die er mit eisener Hand herrscht, folgen ihm.

Ihre Mission erklärte ein Mitglied des Führungscorps der Nachtwölfe im Gespräch mit einem Reporter der „London Review of Books“ einmal so: „Es geht uns darum, die Seele des russischen Volks zu retten“. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten sie eng mit Putin zusammen, organisieren nationalistische Kundgebungen und fahren mit orthodoxen Ikonen durch Moskau und Sankt-Petersburg.

Rocker beteiligen sich an der Annexion der Krim

Seit 2009 unterhält der russische Präsident freundschaftliche Verbindungen zu den Rockern. 2013 verlieh er Saldostanow einen Orden für seine patriotischen Verdienste. 2014 war er einer der Fackelträger bei den Olympischen Spielen in Sotschi.

Im selben Jahr überfiel Russland die Krim – mit dabei: Eine Abteilung der Nachtwölfe. Für Saldostanow ein erhabener Moment, sein Geburtsort wurde wieder russisch. Bereits vor der Annexion der Krim waren die Nachtwölfe in der Ukraine aktiv. Seite an Seite mit den Sicherheitskräften bekämpften sie die pro-westlichen Euromaidan-Proteste.

Die Loyalität zu Putin scheint sich für die Nachtwölfe auch finanziell zu lohnen. Laut dem kürzlich verstorbenen Kremlkritiker Alexej Nawalny soll der Kreml die Rocker mit mindestens 12 Millionen Rubel (knapp 122.000 Euro) unterstützt haben.

Siegeszug nach Deutschland

Anfang 2015 wurden die Rocker auch in Deutschland bekannt. Anlässlich des 70. Jahrestages der Kapitulation Nazideutschlands fuhren 20 bis 30 Nachtwölfe, angeführt von Saldostanow, von Russland bis nach Berlin, um am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park Blumen abzulegen. Seitdem findet jedes Jahr eine solche „Siegestour“ statt. Seit 2022 allerdings ohne Mitglieder der russischen Rocker, da diese auf einer Sanktionsliste der EU stehen und nicht mehr einreisen dürfen.

Vertreten werden sie von Mitgliedern des vor allem aus Deutschrussen bestehenden Deutschland-Chapters „Night Wolves MC Germania“. Auch in diesem Jahr erwartet die Polizei am 9. Mai (dem Tag des Sieges der Sowjetunion über Deutschland) wieder eine Zusammenkunft der putintreuen Rocker an den sowjetischen Ehrenmalen in Treptow und Tiergarten.

Sorge vor Zusammenstößen mit proukrainischen Demonstranten

Wie die „Bild“ berichtet, sorgen sich die Behörden vor allem davor, was passiert, wenn Nachtwölfe auf pro-ukrainische Demonstranten treffen. Obwohl in den vergangenen Jahren diese Kundgebungen zwar immer ruhig verliefen, ist die Lage dennoch angespannt, wie es in einem behördeninternen Papier heißt, das der „Bild“ vorliegt.

Neben der Sorge vor Zusammenstößen befürchten die Behörden auch einen Ansehensverlust im In- und Ausland, sollten die pro-russischen Biker in der Hauptstadt ungestört Kremlpropaganda verbreiten dürfen.

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