
Wirtschaftsweise fordert Reformen
„Wir sind Weltmeister bei Arzt- und Klinikbesuchen“
Aktualisiert am 24.12.2025 – 09:03 UhrLesedauer: 3 Min.
Die Chefin der Wirtschaftsweisen dringt auf Reformen im Gesundheitssystem. Sollte die Politik nicht handeln, befürchtet sie stark steigende Beiträge für die Krankenkassen.
Die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, Monika Schnitzer, hat sich für eine stärkere finanzielle Beteiligung von Kassenpatienten ausgesprochen und eine Praxisgebühr gefordert. „Wir müssen die Prävention stärken. Aber wir werden auch die Selbstbeteiligung erhöhen müssen“, sagte die 64-Jährige der „Rheinischen Post“. Deutschland sei „Weltmeister bei Arzt- und Klinikbesuchen“. Ohne Reformen drohten der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich höhere Beiträge.
Konkret warnte Schnitzer vor einem massiven Anstieg der Beitragssätze. „Der Beitrag droht auf 25 Prozent zu steigen“, sagte sie. Das Gesundheitssystem müsse effizienter werden. Als Ansatzpunkte nannte die Ökonomin unter anderem den Abbau von Leistungen ohne wissenschaftliche Grundlage. Homöopathie und „andere Kassenleistungen ohne Evidenz“ sollten aus dem Leistungskatalog gestrichen werden.
Eine Praxisgebühr hält Schnitzer grundsätzlich für sinnvoll – unter einer Bedingung. „Eine Praxisgebühr ist sinnvoll, wenn es gelingt, sie bürokratiearm einzuziehen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Statt Arztpraxen zusätzlich zu belasten, könnten die Krankenkassen die Gebühr einziehen.
Darüber hinaus regte die Wirtschaftsweise eine Debatte über medizinische Behandlungen im sehr hohen Alter an. „Wir werden immer älter und gerade im ganz hohen Alter steigen die Gesundheitskosten enorm an“, sagte Schnitzer. Es müsse diskutiert werden, „ob es in einem solch hohen Alter sinnvoll ist, alle verfügbaren, aber häufig auch sehr belastenden Therapien anzuwenden“. Mit einem ähnlichen Vorstoß hatte sich zuletzt Hendrik Streeck, der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, vorgewagt und dafür heftige Kritik eingesteckt.
Neben dem Gesundheitssystem äußerte sich Schnitzer auch zur Erbschaftsteuer. Firmenerben sollten aus ihrer Sicht stärker belastet werden. „Das Geldvermögen privater Haushalte wird unverhältnismäßig viel höher besteuert als das Betriebsvermögen von vererbten Unternehmen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Das sei aus Gründen der Steuergerechtigkeit problematisch.
Zugleich wies Schnitzer darauf hin, dass bei großen Erbschaften häufig weiteres Vermögen vorhanden sei. Neben Unternehmensanteilen würden oft auch liquide Mittel oder Sachwerte wie Kunstwerke, Oldtimer oder sogar ein Privatjet vererbt. Eine höhere Besteuerung sei möglich, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Schnitzer erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regeln zur Begünstigung von Betriebsvermögen kippen wird.
Kritisch äußerte sich die Wirtschaftsweise zur geplanten Aktivrente, mit der Rentner nach Erreichen des Rentenalters bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen können. Sie erwarte nicht, dass die Maßnahme die Beschäftigung älterer Menschen „nennenswert erhöhen wird“, sagte Schnitzer der „Rheinischen Post“. Stattdessen werde die Aktivrente „vor allem zu teuren Mitnahmeeffekten führen“.