Zukunft des Arbeitslebens: “Schreiner haben ein sehr hohes Risiko, ersetzt zu werden”

Eine neue Studie zeigt, welche Berufe von Maschinen übernommen werden. Ein Ökonom erklärt, welche Risiken und Möglichkeiten die Automatisierung schafft.

Roboter und Künstliche Intelligenz (KI) übernehmen mehr und mehr Aufgaben in der Arbeitswelt. Doch welche Arbeitsplätze gehen dadurch verloren? Schweizer Robotiker der technischen Hochschule EPFL und Ökonominnen der Universität Lausanne haben 1.000 Berufe auf deren jeweiliges Risiko untersucht, in naher Zukunft automatisiert zu werden. Das Ergebnis der Studie: eine Rangliste, die zeigt, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Job künftig von einer Maschine erledigt wird.

Basierend darauf haben die Forscherinnen und Forscher eine Software entwickelt. Diese zeigt den Nutzerinnen und Nutzern das Automatisierungsrisiko ihres Berufes und schlägt Berufe mit tieferem Risiko und geringem Umschulungsaufwand vor. (Mehr dazu lesen Sie im hier verlinkten Artikel.)

t-online hat mit einem der Co-Autoren der Studie, Rafael Lalive, über weniger und stärker gefährdete Berufe gesprochen. Der Schweizer Ökonom erklärt, warum selbst Models künftig durch Maschinen ersetzt werden könnten und wo Menschen ansetzen sollten, um ihre beruflichen Perspektiven zu stärken.

t-online: Herr Lalive, Sie sagen, am ehesten fallen Metzger und Fleischverarbeiter der KI zum Opfer, also klassische Handwerksberufe. Wie kann das sein?

Rafael Lalive: Damit ist nicht der Fleischverkäufer an der Metzgertheke gemeint, der die Ware schön aufbereitet oder Kundinnen und Kunden individuell berät. Gemeint sind Menschen, die in der verarbeitenden Fleischindustrie und in Schlachtbetrieben arbeiten.

Weshalb braucht es die Menschen in den Schlachtbetrieben und in der Fleischverarbeitung nicht mehr?

Die Grundlage unserer Studie ist ein Katalog an Fähigkeiten und Tätigkeiten, die in einem Beruf ausgeübt werden müssen: Je geringer diese Anforderungen, desto höher das Risiko, von einer KI oder einem Roboter ersetzt zu werden. Und dann haben wir für die Studie auch auf Informationen zurückgegriffen, inwiefern die Beschäftigung in bestimmten Berufen in den vergangenen Jahren gewachsen oder geschrumpft ist.

Das heißt, dass unsere Studie nicht nur Aussagen darüber trifft, wie hoch das Risiko eines Berufes ist, künftig automatisiert zu werden, sondern auch, ob das bereits geschehen ist. Am einen Ende der Tabelle – bei den Jobs mit hohem Automatisierungsrisiko – sehen Sie also auch Berufe, die teilweise bereits wegrationalisiert wurden. Das betrifft neben Angestellten in der Fleischindustrie beispielsweise auch Kassiererinnen und Kassierer in Supermärkten.

Laut der Studie sind auch Models einem hohen Risiko ausgesetzt, durch KI oder Roboter ersetzt zu werden. Kann Heidi Klum also ihre Topmodel-Show einstellen?

So weit würde ich nicht gehen. Ausgenommen von diesem Befund sind echte Supermodels, die als prominente Persönlichkeiten Bezugspunkte für Menschen bieten.

Klassische Models sind stark durch Maschinen bedroht. Menschen, die in ihrer Funktion und Tätigkeit Kleider ausstellen, haben ein enorm hohes Automatisierungspotenzial. Ohne das despektierlich zu meinen: Die kognitiven Anforderungen an Models sind relativ gering, deshalb ist das Automatisierungspotenzial hoch. Ein Avatar kann einfacher und flexibler zahlreiche Körperformen abbilden und Kleider modeln als ein Mensch in einem Werbefilm. Das irritiert erst mal. Aber: Der Gedanke dahinter ist konsistent mit dem Ansatz unserer Studie.

Rafael Lalive ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Lausanne (Schweiz). (Quelle: Universität Lausanne )

Rafael Lalive ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Lausanne (Schweiz). Er beschäftigt sich mit Fragen der Arbeitsmarktpolitik, der Familienpolitik und der Sozialökonomie. Lalive ist Teil des Schweizer Forschungsteams, das 1.000 Berufe auf ihr Automatisierungsrisiko untersucht hat.

Spannend ist auch das andere Ende des Risikospektrums: Jobs, die laut Ihrer Studie nicht so stark gefährdet sind, sind etwa Chirurgen. Dabei werden diese doch bereits heute von Computern und Robotern bei ihrer Arbeit unterstützt?

Unsere Studie zeigt den Anteil eines Berufes, der automatisiert werden kann. Wenn dieser unter 65 Prozent liegt, wächst ein Berufszweig. Das ist beispielsweise bei Chirurginnen und Chirurgen der Fall. Diese werden von KI und Robotern bei Tätigkeiten unterstützt, die einem Menschen schwerfallen. KI reduzieren die Fehlerquote und Menschen können produktiver eingesetzt werden.

Laut Ihrer Studie sind Taxifahrer stark von Automatisierung gefährdet, nicht aber Piloten, die bereits heute an vielen Stellen von Bordcomputern unterstützt werden. Weshalb?

Die Anforderungen an den Beruf des Piloten sind deutlich höher als die an einen Taxifahrer. Dies mag erstaunen, da Piloten mit einigen technischen Hilfsmitteln arbeiten und eigentlich das Flugzeug gar nicht mehr selbst fliegen. Aber: Piloten werden durch technische Hilfsmittel unterstützt und das Fliegen wird so sicherer, was auch deren Jobs sichert. Taxifahrer werden potenziell durch Selbstfahrtechnologie ersetzt, deshalb ist hier das Risiko des Jobverlustes höher.

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