“Mittelstand” verkauft sich gut: Wie viel Einfluss haben Deutschlands Mittelstandsverbände?

Politiker gehen bei ihren Veranstaltungen ein und aus, bekannte Unternehmer und Firmen sind Mitglieder – doch wie einflussreich sind Deutschlands Mittelstandsverbände?

Der Bundeskanzler und seine Minister haben einen vollen Terminkalender, für manche Veranstaltungen nehmen sie sich aber regelmäßig Zeit: Ob “Familienunternehmertage”, “Wirtschaftstag” oder “Tag der Industrie” – wenn Vertreter der Wirtschaft und vor allem des deutschen Mittelstandes einladen, sagen Politgrößen für Reden und Paneldiskussionen fast immer zu.

Vielen Bürgern ist das suspekt. Der Austausch zwischen Interessenvertretern und Politikern wird kritisch beäugt. Das hat Folgen: Beide Berufsgruppen – Politiker und Lobbyisten – landen bei Vertrauensrankings regelmäßig auf den hintersten Plätzen.

Dass sich Politiker dennoch immer wieder gerne auf entsprechenden Veranstaltungen blicken lassen, lässt eine gewisse Nähe mit den Interessenvertretern erahnen. Und das lassen sich die Verbände einiges kosten. Doch wie genau funktioniert Wirtschaftslobbyismus in Deutschland?

“Mittelstand” verkauft sich gut

“Hinter dem Begriff ‘Mittelstand’ verbirgt sich eine große Vielfalt an Unternehmen”, sagt Aurel Eschmann vom Verein Lobbycontrol im Gespräch mit t-online. “Die entsprechenden Verbände profitieren von diesem positiven Framing.” Eschmann und seine Kollegen setzen sich seit Jahren für mehr Transparenz in diesem Bereich ein – wobei er damit ironischerweise selbst zur Riege der Interessenvertreter zählt.

Was er mit “positiven Framing” meint: Die Namen und der dadurch formulierte Vertretungsanspruch der Verbände macht nicht immer direkt deutlich, wer in den Verbänden Mitglied ist. So denken etwa beim Wort “Familienunternehmer” wohl die meisten Menschen eher an kleine Handwerksbetriebe, an Autowerkstätten oder die inhabergeführte Bäckerei an der Ecke.

Aurel Eschmann ist Campaigner für Lobbyregulierung und Lobbykontrolle beim Verein Lobbycontrol. (Quelle: Lobbycontrol)

Tatsächlich können genau die aber gar nicht Mitglied bei den Familienunternehmern werden. Denn dafür sind mindestens zehn Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von einer Million Euro erforderlich. Dementsprechend zählen zu den rund 600 Firmen des Verbandes die Chefs von großen Konzernen wie Henkel, Dr. Oetker oder Deichmann – die alle von Eigentümerfamilien geführt werden.

Zwischen klaren Worten und

Das Beispiel zeigt: Familienunternehmen sind nicht zwingend Teil dessen, was gemeinhin als Mittelstand gilt, auch wenn sie häufig in einem Atemzug genannt werden. Nach eigenen Angaben liegt der Fokus des Verbandes vor allem auf dem Austausch der Mitglieder über die besondere Organisationsstruktur etwa bei der Nachfolgefrage.

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Dafür schreckt der Verband nicht vor bildlicher, teils drastischer Sprache zurück, um seine Interessen zu vertreten: Pläne der CDU zur Erbschaftssteuer sind ein “zerstörerischer Tritt”, Vorschläge zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes “eine fiskale Sterbehilfe”. Und generell beansprucht der Verband gleich für alle Unternehmer zu sprechen, wenn sie ihr auf ihrer Webseite proklamieren “Wir sind die Wirtschaft!”.

Eine Recherche der Wochenzeitung “Zeit” beschäftigte sich zuletzt mit dem Vorgehen des Verbandes und zitierte den Grünen-Abgeordneten Anton Hofreiter, der dem Verband vorwirft, teilweise “aggressiver als die Waffen- und Chemieindustrie” vorzugehen. Zudem verweist die Recherche auf interne Dokumente des Verbandes, darunter ein Protokoll einer Mitgliederversammlung. Bei dieser habe der Vizepräsident Karl Tack betont, der Verband habe “meinungsbildend” auf FDP und die Mittelstandsvereinigung der CDU eingewirkt.

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Bundesfinanzminister Christian Lindner hält bei den Familienunternehmertagen eine Rede. (Quelle: Bernd von Jutrczenka)

Das klingt mächtig, doch ist mit Vorsicht zu betrachten. Denn es handelt sich dabei um interne Kommunikation, die zudem nicht mit konkreten Belegen unterfüttert ist. Dass die Familienunternehmer Einfluss auf die Politik ausüben wollen, ist kein Geheimnis, doch inwiefern sie damit Erfolg haben, ist schwer zu bemessen.

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