Lindners Renten-Revolution: Entscheidung gefallen

Das deutsche Rentensystem steht vor dem Kollaps. In diesem Jahr will die FDP deshalb die Aktienrente einführen. Eine wichtige Personalie steht nun fest.

Christian Lindner sieht zufrieden aus. Es ist kurz nach 10.30 Uhr an diesem Freitagmorgen und der Finanzminister kann eine gute Nachricht verkünden. Es geht um eine Idee aus seiner Partei, die man dort schon lange vorbereitet hat. Und jetzt, im Jahr 2023, wird sie Realität.

Lindner rutscht auf seinem Stuhl leicht nach vorne, lächelt und sagt dann: “Wir wollen jetzt beginnen, Generationenkapital zu bilden.” Generationenkapital, das ist das entscheidende Wort. Vorher sprach er noch von Aktienrente, aber das klang dem FDP-Minister wohl zu abschreckend. Kapital für Generationen, das hört sich an wie eine Investition in die Zukunft. Und soll zeigen, dass man nicht nur in Legislaturperioden denkt.

Eingeladen hatte das Finanzministerium zu einer Diskussion mit dem Minister, geklärt werden sollten die grundsätzlichen Fragen: Wie funktioniert das genau? Woher kommt das Geld? Wie kann es darüber hinaus weitergehen? Lindner sprach also an diesem Vormittag ausführlich über Beitragszahler und Staatsbeteiligungen, über Fonds und Finanzierungen. Es ist der Plan der FDP für die Versorgung der Deutschen im Alter. Die Agenda für eine finanzielle Absicherung.

Schon lange zeichnet sich ab, wie die Finanzierung der Renten an Grenzen kommen wird. Passiert ist bisher trotzdem wenig – trotz aller Mahnungen. “Die Finanzierung unseres Rentensystems steht vor dem Zusammenbruch”, warnte jüngst wieder Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Und Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch erklärte jetzt in der “Augsburger Allgemeinen”, das Rentensystem stehe “absehbar vor dem Kollaps”.

Der Beginn einer großen Reform

Die Aussagen sind nicht übertrieben. Spätestens 2030, wenn das Gros der Babyboomer den Ruhestand angetreten hat, kippt das Verhältnis zwischen Einzahlern und Empfängern. Auf einen Rentner könnten dann nur noch 1,5 Beitragszahler kommen, statt wie derzeit knapp zwei. Schon jetzt überlebt das System nur, weil der Bund die Löcher mit reichlich Steuergeld stopft: Über 100 Milliarden Euro fließen bereits jetzt pro Jahr an die Deutsche Rentenversicherung, die davon knapp ein Drittel ihrer Ausgaben deckt. Tendenz steigend. Eine Reform ist dringend nötig – weg von der reinen Umlagefinanzierung, hin zu mehr Unabhängigkeit von der Demografie.

Die Aktienrente ist der wohl wichtigste Baustein auf dem Weg dahin. Mit ihr könnten künftig nicht nur Beiträge und Steuern die Finanzierung tragen, sondern auch die Erträge eines Kapitalstocks. Dahinter steht die Idee: Der Staat legt Geld am Kapitalmarkt an, kauft also Aktien und Anleihen – und der Gewinn wird den Bürgern als Zuschuss zur Rentenfinanzierung zur Verfügung gestellt. Jeder Steuerzahler wird damit automatisch zum Aktionär. Eine kleine Revolution für die Sparbuch-Nation Deutschland.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellt zusammen mit Anja Mikus, Kenfo-Chefin und Anlage-Expertin (Mitte), Details der Aktienrente vor. Die Finanzkolumnistin Margarethe Honisch moderiert. (Quelle: Tim Kummert)

Diese Frau soll das Geld vermehren

Unklar war bisher, wer diese Renten-Revolution anführen soll. Wem man die zehn Milliarden Euro, die der Bund zum Start der Aktienrente aufnimmt, in die Hand gibt. Schließlich lauert am Kapitalmarkt auch das Risiko für Verluste. Sollten die Aktien zu wenig Rendite abwerfen oder gar ins Minus rutschen, könnte der Rentenversicherung später viel Geld fehlen – und der Steuerzahler doch wieder stärker herhalten müssen. Sozialverbände und Gewerkschaften warnen bereits davor.

Noch im vergangenen Jahr galt die Bundesbank als Favoritin für den Geldvermehrer-Job, doch an diesem Freitag sitzt Anja Mikus neben Christian Lindner. Mikus, 67 Jahre alt, wacher Blick, ist Chefin des deutschen Atomfonds, umgangssprachlich Kenfo genannt. Mit dem Fonds zur kerntechnischen Sanierung hat der Bund 2017 die größte öffentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands gegründet, um den Atomausstieg zu finanzieren. Er ist mit rund 24 Milliarden Euro gestartet, die die Kraftwerksbetreiber gezahlt haben, und soll in den kommenden 80 Jahren durchschnittlich 3,7 Prozent Rendite im Jahr erwirtschaften. Für langfristig und breit gestreute Aktienanlagen ist das ein konservatives Ziel.

Mikus, die in ihrer Karriere Chef- und Aufsichtsratsposten bei Allianz, Union Investment und Commerzbank bekleidet hat, hat auch schon gezeigt, dass sie zu mehr in der Lage ist: Seit seiner Gründung hat der Atomfonds den Wert seiner Anlagen jedes Jahr im Schnitt um 8,6 Prozent gesteigert, 2021 lag die Rendite sogar bei 10,4 Prozent. Wie der Fonds durch das schwierige Börsenjahr 2022 gekommen ist, ist allerdings noch nicht öffentlich. Gelängen Mikus die durchschnittlichen 3,7 Prozent Rendite beim Rentenfonds, stünden nach einem Jahr 370 Millionen Euro extra bereit – ein winziger Wert im Vergleich zum 100-Milliarden-Steuerzuschuss.

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