Hier legt die Klimakrise die Schifffahrt lahm: Die Frachter stauen sich – keine Entwarnung in Sicht

Schon im Januar rechnete die Panamakanal-Behörde mit Wassermangel. Seitdem hat sich die Dürre deutlich verschärft. Nun herrscht Stau.

Eigentlich sollte die “Ever Max” einen Rekord aufstellen: Am 1. August hätte der taiwanesische Frachter das Schiff mit den meisten Containern werden können, das je den Panamakanal passiert hat. Doch die “Ever Max” musste abladen. In Panama herrscht Dürre, aufgrund der niedrigen Pegelstände musste die Kanalbehörde die Einschränkungen für den Schiffsverkehr auf der wichtigen Pazifik-Atlantik-Verbindung zuletzt erneut verschärfen.

Nun herrscht Stau. Rund 200 Schiffe warteten zwischenzeitlich vor dem Panamakanal auf Durchlass. Am Dienstagmorgen waren es 126. Entwarnung ist nicht in Sicht.

Lange Wartezeiten für Frachter und Crews

Vergangene Woche gab die Panamakanal-Behörde bekannt, dass die seit Ende Juli geltenden Einschränkungen bis zum 2. September verlängert werden. “Als Teil eines weltweiten Phänomens hat der Kanal in den vergangenen sechs Monaten eine ausgedehnte Trockenzeit mit hoher Verdunstung erlebt”, hieß es bei der Einführung der Maßnahmen zur Begründung.

Gemeint ist die menschengemachte Klimakrise. Der Juli war nach Angaben des europäischen Klimawandeldiensts Copernicus der weltweit heißeste Monat, der je gemessen wurde. Dürren werden wie auch Hitzewellen infolge der Klimakrise immer häufiger und intensiver.

Frachtschiff auf dem Gatunsee (Archivbild): Der künstliche See gehört zur Route des Panamakanals. (Quelle: EMPPhotography/Getty Images)

Der Panamakanal

Der 1914 eröffnete Panamakanal verbindet Pazifik und Atlantik. Über 12 Schleusen werden die Schiffe durch den 81,6 Kilometer langen Kanal geleitet – teils in bergigem Gebiet bis zu 25 Meter über dem Meeresspiegel. Etwa fünf Prozent des weltweiten Seefrachtverkehrs laufen über den Panamakanal. 2022 hieß das: 14.239 Schiffspassagen und rund 520 Millionen Tonnen transportierte Güter. Seit dem letzten Ausbau der Schleusen im Jahr 2016 können bis zu 400 Meter lange und 50 Meter breite Schiffe den Kanal befahren.

Die Konsequenz am Panamakanal: Nur noch 32 Schiffe dürfen die Wasserstraße pro Tag durchfahren. Normal sind in der Regenzeit bis zu 40, im Durchschnitt sind es 36. Es könne zu längeren Wartezeiten kommen – was etliche Frachter und ihre Crews derzeit zu spüren bekommen.

Container haben Vorrang

Nach Daten des Branchendiensts Everstream Analytics kam es im August zu überdurchschnittlichen Wartezeiten vor dem Kanal. So angespannt wie aktuell war die Situation das ganze Jahr über noch nicht. Wie das “Wall Street Journal” berichtet, warten einige Schiffe bereits mehr als 20 Tage.

Vor allem Flüssiggas-Tanker und Frachtschiffe, die Schüttgut wie Kohle oder Eisenerz transportieren, sitzen momentan vor dem Kanal fest, so Everstream Analytics. Denn diese werden in der Regel mit nur kurzer Vorlaufzeit von den jeweiligen Unternehmen gebucht. Für Containerschiffe hingegen stehen die Fahrpläne Monate im Voraus fest – die Kanalbehörde räumt ihnen daher Priorität ein. Kommen Containerschiffe jedoch früher oder später als angekündigt an, müssen sie ebenfalls länger warten und höhere Gebühren zahlen.

Für die Kunden der Reeder bedeutet das eine drohende Kostenexplosion. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), sagt zu t-online: “Höhere Schiffsbetriebszeiten ziehen steigende Kosten bei Kraftstoff und Personal nach sich, und etwaige verpasste Hafenslots können Grund für Zwischenlagerkosten oder gar Vertragsstrafen bei verspätet gelieferter Ware sein.”

Ob deutsche Händler davon betroffen sein werden, lasse sich allerdings noch nicht sagen – vom Panamakanal abhängig sind vor allem die USA, der Verkehr nach Europa läuft großteils über den Suezkanal in Ägypten. Dennoch sind die Auswirkungen auf den Welthandel groß.

Die Bahngesellschaft profitiert

Hinzu kommt die Beschränkung beim Tiefgang der Frachter. Normalerweise dürfen diese 15,24 Meter tief im Wasser liegen – zuletzt waren jedoch nur noch 13,41 Meter gestattet. Für die Reedereien bedeutet das: weniger Container pro Schiff. Teilweise müssen die Schiffe bis zu ein Viertel ihrer Ladung löschen, damit sie nicht auf Grund laufen.

So müssen die Reeder einen Teil ihrer Ladung entweder auf andere Schiffe verladen – womit allerdings wieder die Anzahl der Schiffe, die durch den Kanal muss, steigt – oder auf die Schiene ausweichen. Bei der Panama Canal Railway würden 20 Prozent mehr Container transportiert, meldete das “Wall Street Journal” bereits im Juni.

Diese Lösung wählte auch die Crew der “Ever Max”. Auf der Pazifikseite wurden 700 der mehr als 7.000 Container ab- und auf Zugwaggons umgeladen. Das Schiff konnte den Panamakanal so mit zugelassenem Tiefgang passieren, der Zug fuhr parallel zur Atlantikküste. Dort wurden die Container zurück auf das Schiff verfrachtet. Die Kanalbehörde kostete das 40.000 Dollar an Einnahmen.

Reedereien verlangen Sondergebühren

Auch die Everstream-Analytics-Experten beobachten, dass die großen Container-Unternehmen vermehrt auf den sogenannten Intermodalverkehr setzen – also auf die Nutzung von mehreren Verkehrsmitteln. Zudem würden sie vermehrt auf kleinere Schiffe ausweichen und Sondergebühren erheben.

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