Heizwende: Worauf kommt es wirklich an? Experte beantwortet die wichtigsten Fragen

Hauseigentümer stehen angesichts des geplanten Heizungsgesetzes vor vielen Fragen. Der Experte Michael Geißler erklärt, worauf es jetzt wirklich ankommt.

Wärmepumpen, Photovoltaik, Biomasse: Der Chef der Berliner Energieagentur Michael Geißler rät zu Optionen bei der klimaneutralen Transformation der Gesellschaft und empfiehlt kommunale Lösungen, wo immer es möglich ist.

t-online: Herr Geißler, welche Frage wird Ihnen momentan am häufigsten gestellt?

Michael Geißler: Was kommt auf uns zu und welche Möglichkeiten haben wir? Denn die meisten Unternehmen und Gebäudeeigentümer wollen gerne in mehr Klimaschutz investieren. Jedoch treibt sie oft die Sorge, ob die Kosten sie am Ende nicht überfordern werden. Mit immer kürzeren Regelungsintervallen und -änderungen nimmt die Unsicherheit zwangsläufig zu und führt dann womöglich zu Verdruss und Resignation. Viele Menschen schreckt auch die Komplexität der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Förderung ab. Deshalb brauchen sie vor allem Planungs- und Investitionssicherheit.

65 Prozent an erneuerbarer Energie soll Pflicht werden, wahrscheinlich schon ab nächstem Jahr. Sind solche strikten Vorgaben eigentlich sinnvoll?

Es muss der Politik in erster Linie gelingen, die Bürgerinnen und Bürger vom Mehrwert der Energiewende zu überzeugen. Denn natürlich müssen wir alles daran setzen, von fossiler Energie wegzukommen. Die Extremwetter-Ereignisse der letzten Jahre machen mehr als deutlich, dass die Folgen des Klimawandels auch bei uns angekommen sind und uns die Zeit zum Handeln zwischen den Fingern verrinnt. Eine Verschiebung auf später macht am Ende alles nur noch viel teurer, auch für jeden Einzelnen.

Michael Geißler (Quelle: Berliner Energieagentur GmbH)

Umgekehrt könnte man argumentieren, dass in den Privathaushalten eben zu wenig gegen den Klimawandel passiert, wenn nicht der Staat gesetzliche Vorschriften erlässt.

Für die Transformation zur Klimaneutralität braucht es selbstverständlich gesetzliche Regelungen, wie wir sie aus allen anderen gesellschaftlichen Bereichen kennen und akzeptieren. Grundsätzlich sollte es dabei immer ein ausgewogenes Zusammenspiel aus Fordern und Fördern geben. Der beste Treiber ist dabei meistens der eigene Geldbeutel.

Als Allheilmittel gegen den Klimawandel gilt die Wärmepumpe. Ist diese Konzentration verständlich?

Grundsätzlich sollten wir uns alle Optionen offenhalten. Denn wenn wir uns aus den Fesseln der fossilen Energie-Abhängigkeit befreien wollen, dann sind vor allem dezentrale Ansätze sinnvoll. Dazu kann die Wärmepumpe einen wichtigen Anteil leisten, wenn auch weniger in den Städten, da hier die Besiedlung dann doch zu dicht ist. Gleichzeitig müssen wir aber auch verstärkt auf Abwärmenutzung und auf Nah- und Fernwärmenetze setzen, die dann zukünftig erneuerbar versorgt werden müssen.

Nehmen wir an, in ein älteres Haus mit betagtem Gaskessel soll im Jahr 2024 eine Wärmepumpe eingebaut werden. Was muss der Besitzer beachten?

Wichtig ist, dass zunächst für Effizienz im Haus gesorgt wird – dass zum Beispiel das Verteilungssystem der Heizung gut eingestellt ist und auch die technischen Voraussetzungen für die Wärmepumpe erfüllt sind. Die einzelnen Bestandteile müssen dann aufeinander abgestimmt und richtig dimensioniert sein.

Wenn die Pumpe mit Luft arbeitet und es ist draußen kalt, wird die Pumpe zur Elektroheizung. Ein entscheidender Nachteil?

Entscheidend ist die Jahresarbeitszahl. Sie gibt an, wie viele Einheiten Wärme in einer Kilowattstunde Strom erzeugt werden können. Je mehr der Energiebedarf des Gebäudes bereits durch Sanierung gesenkt worden ist, desto besser kann die Wärmepumpe ihre Wirkung entfalten. Auch bei einer Außentemperatur von -12 °C liefert die Wärmepumpe bei 50 °C Vorlauftemperatur noch eine Arbeitszahl von über 2 – es wird doppelt so viel Wärme erzeugt wie beim Heizen mit Strom. In älteren Gebäuden ist das oft schwierig umzusetzen, daher wird sicherlich der Einsatz von Hybridheizungen sinnvoll sein – beispielsweise eine Gasbrennwertheizung in Kombination mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. Dann kann die Gasheizung einspringen, wenn es draußen besonders kalt ist.

Gehört ein Garten zum besagten Haus, könnte die Wärmepumpe mit Erdwärme arbeiten. Wie groß muss ein Garten sein und wie tief sollten die Sonden liegen?

Üblich sind knapp 100 Meter tief gebohrte Erdsonden. In Berlin muss dafür ein Abstand von 10 Metern zu Sonden der Nachbarn eingehalten werden. Für rund 30 Kilowatt an Heizleistung benötigt man 6 Bohrungen in 100 Meter Tiefe, die auf einer Fläche von circa 400 Quadratmetern angebracht werden sollten. Ein gut gedämmtes Einfamilienhaus kommt hingegen mit 100 Quadratmetern aus.

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