In deutschen Küchen schlummert die Lösung der Energiekrise, denn aus Bioabfällen könnte Biogas werden. Doch dafür müsste die Politik entschiedener handeln, findet der neue Chef von Alba, Robert Arbter.
Gemüseschalen vom Kochen, Apfelbutzen und verwelkte Blumensträuße: In vielen deutschen Haushalten landen diese Dinge schnell mal im Hausmüll. Was die wenigsten wissen ist, dass sie damit eine wertvolle Ressource für die Energiewende wegwerfen. Im Biomüll steckt enormes Potenzial, erklärt Robert Arbter, der seit April Alba leitet, eines der größten deutschen Entsorgungsunternehmen.
t-online hat Arbter in der unterirdischen Müllverwertungsstelle unter dem Berliner Potsdamer Platz getroffen. Im Interview erläutert er, warum die falsche Mülltrennung brandgefährlich sein kann, welche Chancen bislang ungenutzt bleiben – und weshalb er dabei nicht auf das Deutschlandtempo von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vertraut.
t-online: Die Deutschen gelten weltweit als besonders penibel bei der Mülltrennung. Können Sie das aus Ihrer Erfahrung bestätigen?
Robert Arbter: Das kommt auf den Blickwinkel an. Eine Zeit lang war Deutschland bei Mülltrennung und Recycling Vorreiter. Alba wurde 1968 gegründet und hat in den 1970er-Jahren mit dem sogenannten Berliner Modell die Abfalltrennung für Glas und Altpapier eingeführt. In den 1990er Jahren hat das bundesweit Schule gemacht. Aber inzwischen haben uns einige andere Länder überholt und Deutschland ist nicht mehr Spitzenreiter.
An welche Länder denken Sie da?
Viele Menschen sind skeptisch, ob sich ihre Mühe beim Recycling lohnt. Immer wieder wird unterstellt, dass auf der Müllhalde ohnehin alles zusammengeschüttet werde. Ist das so?
Das ist ein Vorurteil, das ich privat wie beruflich häufig höre, und ich kann ganz klar sagen: Das stimmt nicht. Das kann jeder schon daran merken, dass unsere Müllfahrzeuge immer nur eine Abfallart sammeln, also entweder nur Papier oder nur den Gelben Sack. Auch die Altglas-Laster haben deswegen verschiedene Kammern, damit sich das sortierte Glas nicht wieder vermischt. Außerdem: Seit 2005 gibt es keine Müllhalden in Deutschland mehr. Entweder wir trennen und recyceln unsere Abfälle über die bunten Tonnen oder der Inhalt der schwarzen Tonne wandert in die Müllverbrennung. Abfalltrennung lohnt sich also.
Je reiner eine Art von Müll sortiert wird, desto besser kann sie recycelt werden.
Was bringt das ganz konkret für Klima und Umwelt?
Zum Beispiel Leichtverpackungen aus Plastik können dann zu Recyclat verarbeitet werden, das neu hergestelltes Plastik ersetzt. Und das lohnt sich: Wenn man eine Tonne alte Kunststoffverpackungen recycelt, spart man 400 Kilogramm CO2 ein. Die gleiche Menge zu verbrennen, erzeugt hingegen 150 Kilogramm CO2. Dagegen verursacht der Betrieb der Sortieranlagen kaum CO2. Im Jahr spart allein Alba beim Recycling so 16,5 Millionen Tonnen Primärrohstoffe und 2,1 Millionen Tonnen CO2 ein.
Welche einfachen Handgriffe können die Menschen im Alltag denn umsetzen, um dabei zu helfen?
Das Wichtigste ist, Hausmüll und Leichtverpackungen zu trennen, das machen die meisten Menschen bereits. Denn wenn Plastik im Hausmüll landet, kann es kaum mehr aussortiert werden – der Rest landet unnötig in der Verbrennung. Mehr Luft nach oben gibt es auch beim Bioabfall: Es landen noch zu viele Bananenschalen, schimmeliges Brot oder Speisereste im Hausmüll, dabei könnte damit ganz wunderbar Biogas erzeugt werden. An dieser Stelle zeigt sich: Abfallwirtschaft ist auch Energiepolitik.
Robert Arbter
Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre wurde Robert Arbter 2009 an der TU Berlin promoviert. Danach arbeitete er zehn Jahre für die Unternehmensberatung KPMG. Von 2019 bis 2021 war er bereits Finanzchef bei Alba, ging dann zum Dienstleistungsunternehmen Gegenbauer. Zum 1. April 2023 wechselte er zurück zu Alba und übernahm die Geschäfte von Eric Schweitzer als Geschäftsführer.
Seit Russlands Angriff auf die Ukraine vor mehr als einem Jahr sind Alternativen zum russischen Erdgas ein besonders dringendes Anliegen in Deutschland. Inwiefern bietet sich da Biogas aus Abfall an?
Eigentlich ganz prima – Biogas aus Bioabfällen könnte in die existierenden Gasnetze gespeist werden und hat nicht die Naturschutz-Probleme, die sonst bei Biogas aus Mais oder Raps kritisiert werden. Bei uns stellt sich nicht die Frage, ob Bauern dafür Monokulturen anbauen, die direkt vom Feld in die Vergärung gehen, statt Menschen oder Tiere zu ernähren. Wir könnten ein Viertel des jährlichen Erdgasbedarfs in Deutschland, also 140 Terrawattstunden, durch Biogas aus Abfällen ersetzen.