Nur ein deutsches Bundesland hat den Weltkindertag zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Warum der Fokus auf Kinder wichtig ist, hat t-online mit dem Chef des Deutschen Kinderhilfswerkes besprochen.

In Deutschland geht es den meisten Menschen und ihren Kindern gut – zumindest finanziell. Aber was ist mit denen, die zu Hause kein Sicherheitsnetz haben und keine Vorbilder – und wo lauern in unserer modernen Zeit die größten Gefahren für unsere Kleinen? Thomas Krüger, ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, fordert am Weltkindertag im Interview mit t-online ein Ende der Sonntagsreden.

t-online: Thüringen ist das einzige Bundesland, das den 20. September als gesetzlichen Feiertag etabliert hat. Warum ist diese Aktion wichtig?

Thomas Krüger: Wir freuen uns als Kinderrechtsorganisation, und ich persönlich als gebürtiger Thüringer, natürlich sehr, dass der Weltkindertag in Thüringen seit einigen Jahren gesetzlicher Feiertag ist. Leider sind die anderen Bundesländer nicht nachgezogen, obwohl das ein starkes bundesweites Zeichen für die Kinderrechte gewesen wäre. Denn wirksame Maßnahmen für ein kinderfreundliches Deutschland gehören auf der politischen Agenda ganz nach oben, sonst riskieren wir nichts weniger als die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Es bleibt oft bei symbolhaften Handlungen, bleibt das Konkrete zu oft aus?

Leider ja. Wir sehen ja, dass Kinderfreundlichkeit in Sonntagsreden immer wieder beschworen wird, aber der Kinder- und Jugendpolitik nicht der Stellenwert zukommt, den dieses Zukunftsthema verdient. Wir müssen es demgegenüber endlich hinbekommen, dass Kinderfreundlichkeit zu einer Leitlinie von Politik wird. Denn die Politik hat entscheidenden Anteil und Verantwortung für die Gestaltung einer kinderfreundlichen und damit zukunftsfähigen Gesellschaft, denn sie setzt die Rahmenbedingungen für das Aufwachsen unserer Kinder.

Wie muss kinderfreundliche Politik genau aussehen?

Auch mehr als 30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland müssen wir in unserem Land eine anhaltende Ausblendung und Verdrängung von Kinderinteressen konstatieren. Wir brauchen aber endlich eine Kinderpolitik, die nicht nur Politik für Kinder macht, sondern auch Politik mit Kindern. Nur so schaffen wir die Basis für eine gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands, die die Rechte von Kindern nachhaltig zur Geltung bringt.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. (Quelle: Hendrik Schmidt/dpa/dpa-bilder)

Thomas Krüger (65) ist ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, hauptamtlich ist er Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Der frühere DDR-Bürgerrechtler ist Vater von zwei Söhnen.

Die Thüringer wollen mit dem gesetzlichen Feiertag bezwecken, dass Familien etwas gemeinsam unternehmen und so Beziehungen vertiefen. Was würden Sie selbst an einem solchen Tag speziell mit Ihren Enkeln machen und warum?

Zuerst einmal würde ich den Kindern erklären, warum am Weltkindertag keine Schule ist, also welchen Sinn Kinderrechte ganz allgemein und dieser Feiertag speziell hat. Für die Kids in Thüringen, aber auch in Deutschland und weltweit. Und dann kommt es natürlich immer ein bisschen aufs Wetter an. Wenn es nicht so schön ist draußen, könnte ich mir einen Museumsbesuch vorstellen, beispielsweise in der Explorata-Mitmachwelt in Zella-Mehlis oder im Zitadelle Museum auf dem Petersberg in Erfurt. Und das Deutsche Spielzeugmuseum in Sonneberg geht natürlich auch immer. Was gemacht wird, bestimmen dann letztlich die Kinder selbst. Und weil Kinderernährung wichtig ist, gibt’s dann auch noch ein veganes Eis obendrauf. Auch wenn Schlumpf-Eis eigentlich der Renner ist. Aber wahrscheinlich lasse ich da mit mir handeln. Nicht nur, weil Weltkindertag ist.

Es heißt oft, für Kinder ist gemeinsame Spielzeit wie eine Währung. Man müsse sie nicht mit Geschenken „bezahlen“. Nimmt sich unsere Gesellschaft genug Zeit für Kinder?

Jesper Juul, der einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas war, hat das sehr gut auf den Punkt gebracht. Nach seiner Ansicht brauchen Kinder Beziehung, sie wollen am Leben ihrer Eltern teilhaben. Besonders wenn Kinder im Kindergarten oder der Krippe seien, bräuchten sie dringend Zeit mit Erwachsenen, die ein Erwachsenenleben leben. Denn in der Kita würden Kinder viel übers Kindsein lernen, aber nichts über Erwachsene. Deshalb ist es wichtig, die Kinder in den Familienalltag auf Augenhöhe einzubinden und an vielen Stellen mitbestimmen zu lassen, wie es natürlich auch wichtig ist, sich seinen Kindern für eine bestimmte Zeit am Tag voll und ganz zu widmen und beispielsweise mit ihnen zu spielen oder etwas gemeinsam zu unternehmen. Das kommt in unserem hektischen Alltag zwischen Arbeit, Haushalt und eigenem sozialen Leben leider oft zu kurz.



Aber wahrscheinlich lasse ich da mit mir handeln. Nicht nur, weil Weltkindertag ist.


Thomas Krüger


Auch andere Themen kommen in unserer Gesellschaft in Sachen Kinder viel zu kurz. Was ist in Zeiten von Kita-Krisen und Kinderarmut für Sie das drängendste Thema?

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