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Mit dem Sturz Assads verliert Putin seine Reputation als Weltenlenker. Die Propaganda des Kremls versucht nun, das Geschehen in Syrien umzudeuten.

Jahrelang feierten der Kreml und seine Propaganda-Maschinerie den russischen Einsatz in Syrien als einen zentralen geopolitischen Erfolg Wladimir Putins. In Syrien sollte Russland als Großmacht wieder auferstehen – um nichts weniger ging es Putin, als er russische Soldaten im September 2015 in die syrische Wüste entsandte. Ihr Auftrag: Baschar al-Assads Machterhalt.

Der Einsatz in Syrien markierte die Rückkehr Putins ins Zentrum der großen Weltpolitik. Es war Russland, das die syrischen Friedensverhandlungen leitete. In Kooperation mit der Türkei und dem Iran suchte Moskau nach Lösungen, kein Weg führte plötzlich an Putin vorbei.

In Syrien sammelte die russische Armee Kampferfahrung für die Ukraine. Ob General Surowikin, der sich den Beinamen Armageddon verdiente, oder der gestürzte Wagner-Chef Prigoschin – sie alle bewährten sich für den Kreml auf den syrischen Schlachtfeldern.

Aber jetzt ist Assad gestürzt. Sein Regime zerbrach innerhalb einer Woche. Dem Diktator blieb nur die Flucht nach Moskau. Putin steht nun vor der Frage: Was tun mit dem unerwarteten Gast? Und wie erklärt man die Schmach der russischen Bevölkerung? Der Sturz Assads hat Putin seinen Ruf als geopolitischer Stratege gekostet. Die Welt sieht, dass der Krieg in der Ukraine die russischen Ressourcen so stark beansprucht, dass weitere Interventionen im Ausland nicht mehr möglich sind.

In den russischen sozialen Netzwerken spottet man, ob ein Seniorenheim für Diktatoren gebaut werde (auch der 2014 gestürzte ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch floh einst nach Russland). Sogenannte Militärblogger kommentieren den Fall des Assad-Regimes hingegen aufs Schärfste. Auf populären Telegram-Kanälen spricht man von einer „kolossalen geopolitischen Niederlage“ und einer „Tragödie“. Syrien sei ein „Symbol des Ruhmes russischer Waffen. Aber nun ist unklar, was mit diesem Symbol geschehen wird“, schrieb der russische Telegram-Kanal „Zwei Majore“.

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Kreml-Propaganda verbannt Syrien auf die hinteren Plätze

Die kremltreuen Militärblogger beschäftigt nicht das Schicksal Syriens oder Assads. Sie bangen um die zwei russischen Militärbasen in Syrien – und beweinen die Schande für das russische Militär. Und so schlägt die Kreml-Propaganda einen Kurs ein, der die Bedeutung des Geschehens in Syrien verschleiern soll.

Als sich die Ereignisse in Syrien in der Nacht von Samstag auf Sonntag überschlugen und die ganze Welt gebannt nach Damaskus schaute, war der Fall Assads der zentralen Nachrichtensendung des russischen Staatssenders „Perwyj Kanal“ nur die vorletzte Meldung wert. Man verwies vor allem auf das Chaos in Syrien, das aber in Russland kaum jemanden berührt.

Herold der Propaganda gibt Kurs vor

Am Sonntagabend übernahm schließlich Dmitri Kisseljow seine traditionelle Rolle des Herolds und verlas in seiner Sendung „Westi Nedeli“ (Nachrichten der Woche) die neue Leitlinie der Kreml-Propaganda. „Das Geschehen in Syrien ist uns natürlich nicht egal, aber für uns ist die Sicherheit Russlands das Wichtigste, also das Geschehen auf dem Gebiet der militärischen Spezialoperation“, deklarierte der Direktor des Medienunternehmens „Rossja Sewodnja“, das Nachrichtenportale und Radiosender in 30 Sprachen betreibt. Russland habe zwar Assad unterstützt, sei aber immer für eine interne syrische Lösung gewesen. Putin habe schon 2015 erklärt, man wolle die Lösung des Konflikts Syrern überlassen. „Wir wollen nicht mehr Syrer sein als die Syrer selbst“, sagte Putin damals.

Dmitri Kisseljow. (Quelle: Sofya Sandurskaya/imago)

Kisseljow ist einer der einflussreichsten Akteure des Propaganda-Apparats des Kreml. Egal, worum es geht: Wenn es am Sonntag dunkelt, gibt Kisseljow vor, was alle Propagandisten in der darauffolgenden Woche ihrem Publikum einzutrichtern haben.

„Russland ist nicht verpflichtet, für Syrien zu kämpfen“

Und so zeigten Olga Skabejewa und ihr Ehemann Jewgeni Popow in ihrer Sendung „60 Minuten“ am Montagvormittag ebefalls den Auftritt Putins aus dem Jahr 2015. Auch wenn ihre Show „60 Minuten“ heißt, wird sie fünf Stunden pro Tag ausgestrahlt. Den Ereignissen in Syrien schenkten Skabejewa und Popow aber nur wenige Minuten.

Streng dem Narrativ folgend, erklärte die Propagandistin Skabejewa: „Russland ist nicht verpflichtet, für Syrien zu kämpfen. Uns interessieren vor allem die russischen Militärbasen.“ Und diese seien sicher, versicherte sie den russischen Zuschauern.

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