Die Anzeigen wegen Beleidigung erstattet mit Liebich eine Person, die selbst beim Christopher Street Day in Halle 2022 mitten in der Kundgebung den Teilnehmern zurief „Ihr seid Parasiten dieser Gesellschaft“ und von „Trans-Faschisten“ sprach. Solche früheren Äußerungen gegenüber LGBTQ-Menschen sind ein Grund, warum große Zweifel an tiefer Kränkung und Verletzung bei Liebich verbreitet sind.

Genau solche Empfindungen behauptet Liebich. Das Konvolut aus 523 Anzeigen sollte dem Leipziger Gericht in dem aktuellen Prozess die vermeintliche schwere psychische Belastung darlegen. „Die Anzeigen zu ignorieren, würde den Kontext der jahrelangen Anfeindungen ausblenden“, schrieb Liebich dem Gericht.

Von Gesinnungsgenossen kommen diese angeblichen Anfeindungen wohl seltener: Die als notorische Provokationsfigur bekannte Person wird in der Szene dafür gefeiert, dass Liebich das Selbstbestimmungsgesetz vorführt und ins Lächerliche zieht – und vermeintliche Missbrauchsmöglichkeiten offenlegt. Durch Liebich ist eine Frage akut geworden, die stets als vermeintlich nur theoretisches Horrorszenario des Selbstbestimmungsgesetzes im Raum stand: Könnten Männer gezielt ihren Geschlechtseintrag ändern, um ins Frauengefängnis zu kommen?

Da kommen Liebich-Verfahren ins Spiel: Die Änderung des Geschlechtseintrags durch einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt in Schkeuditz für 50 Euro fiel zusammen damit, dass Liebich absehbar der Gang hinter Gefängnismauern drohte.

Das aktuelle Leipziger Verfahren war da zwar noch in weiter Ferne. Ein anderes Verfahren stand aber vor dem Abschluss. Denn bereits im Juli 2023 war die Reizfigur unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu anderthalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Nach einem gleichlautenden Berufungsurteil im August 2024 ging Liebich noch in die Revision, die Entscheidung war weiterhin nicht rechtskräftig. Aber die Richter des Oberlandesgerichts Naumburg hatten im Mai 2025 über Marla Svenja Liebich zu befinden, als sie die Revision zurückwiesen und die Strafe endgültig rechtskräftig wurde.* Liebich muss ins Gefängnis.

Doch das bedeutet nicht zwingend, dass die Adresse ein Frauengefängnis sein wird. Janka Kluge hält es für wichtig, „dass die Ministerien in Sachsen-Anhalt und Sachsen betont haben, dass es einen solchen angenommenen Automatismus nicht gibt“. In Sachsen-Anhalt wurde Liebich verurteilt, der Wohnsitz in Sachsen bedeutet Haft dort. In beiden Ländern haben die Behörden erklärt, vor Haftantritt werde auch geprüft, ob eine „missbräuchliche“ Änderung des Personenstandes vorliege. Zum Stand bei Liebich ist wiederum keine Auskunft zu bekommen.

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