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Eine neue Studie belegt: In Wahlkreisen, in denen häufiger rechtsgerichtete Parteien gewählt werden, sinkt die Zahl der Arbeitsmigranten. Das kann gravierende Folgen für das Gesundheitssystem haben.

„In diesem Artikel wird untersucht, ob fremdenfeindliche Einstellungen, gemessen am regionalen Stimmenanteil rechtsgerichteter Parteien und fremdenfeindlicher Gewalt, die Wahl des Wohnorts von Migranten in Deutschland beeinflussen“, heißt es zu Beginn einer Studie der Universität Kiel. Untersucht wurde folglich, ob Fremdenfeindlichkeit die Arbeitsmigration in den entsprechenden Regionen beeinflusst. Die Daten stammen aus den Jahren 2004 bis 2017.

Sie zeigen jedoch deutlich: Die Rate unterscheidet sich zwischen dem Kreis mit den niedrigsten Wahlergebnissen von Rechtspopulisten – 5,2 Prozent in Münster – und dem mit den höchsten Wahlergebnissen – 37,6 Prozent im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge deutlich. Zu verzeichnen sind zwei Personen pro 1.000 Erwerbstätige weniger. Der Unterschied wird im Vergleich mit der Zuwanderung, gemessen an allen Wahlkreisen von durchschnittlich jährlich 4,3 Personen pro 1.000 Erwerbstätige deutlich. Er beträgt fast die Hälfte.

Nun schlagen Experten aus dem Gesundheitssystem Alarm. In einem mit „Für ein weltoffenes und tolerantes Land“ überschriebenen Aufruf der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer, des Deutschen Hebammenverbandes, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Marburger Bundes und von Verdi wird auf die gefährdete Gesundheitsversorgung verwiesen.

Wörtlich heißt es: „Rund 15 Prozent aller Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachpersonen in Deutschland haben eine ausländische Staatsbürgerschaft. Jedes Krankenhaus beschäftigt ausländische Fachkräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Berufsgruppen, Pflegeheime ohne ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären undenkbar. Hinzu kommen ungezählte Kolleginnen und Kollegen mit Migrationsgeschichte.“

Gerade in den ländlichen Regionen sei der Anteil zugewanderter Ärzte, Pflegekräfte, Psychotherapeuten, Hebammen und weiterer Gesundheitsfachkräfte besonders hoch. „Sie sichern zusammen mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen die Gesundheitsversorgung in der Fläche und sorgen dafür, dass Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftige rund um die Uhr und wohnortnah professionelle Hilfe und Unterstützung erfahren. In vielen Teilen Deutschlands wäre die Versorgung ohne diese Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland akut gefährdet.“

Demnach müssten Stationen in Kliniken geschlossen und lange Wartelisten geführt werden. Pflegebedürftige könnten nicht mehr versorgt und zahlreiche Arztpraxen müssten geschlossen werden.

Der flammende Appell der Experten: „Wir sehen mit großer Sorge, dass derzeit mit Schlagworten wie ‚Remigration‘ und ‚Massenabschiebungen‘ unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen zutiefst verunsichert werden und nicht wenige von ihnen bereits darüber nachdenken, in einem anderen Land in Europa zu heilen, zu helfen und zu pflegen. Für die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Deutschland würde das zu unverantwortbaren Verwerfungen in der Behandlung und Betreuung der Menschen führen.“

Im Fachmagazin „Medscape“ erläutert Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft: „Ohne dass uns selbst empirische Daten zu Wahlverhalten und Zuwanderung von Fachkräften vorliegen, wissen wir, dass Willkommenskultur ein entscheidender Faktor ist, um ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.“

In Erhebungen bewerten Betroffene die Willkommenskultur regelmäßig als weniger gut im Vergleich mit anderen Ländern, so Gaß bei „Medscape“ weiter. Es liege deshalb nahe, dass ausländische Beschäftigte Regionen verlassen, in denen sie auch anhand der Wahlergebnisse spüren, dass sie nicht willkommen sind.

Ostdeutschland und ländliche Regionen besonders betroffen

„Im Gesundheitswesen wäre das besonders fatal, da gerade in ostdeutschen und ländlichen Regionen, in denen rechtsextreme Positionen eher Anklang finden als in Großstädten, die Kliniken besonders auf ausländische Beschäftigte angewiesen sind, da sie Stellen noch schwerer besetzen können. Das bedeutet für die Menschen, dass ihre Wahlentscheidung ganz konkrete Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung vor Ort hat“, so Gaß.

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