Anschlag in Magdeburg

Zwischen Hilfe und Hass: Was über Taleb A. bekannt ist

Aktualisiert am 22.12.2024 – 15:19 UhrLesedauer: 5 Min.

Der mutmaßliche Attentäter von Magdeburg, Taleb A., wird dem Haftrichter vorgeführt. (Quelle: Christoph Soeder/dpa/dpa-bilder)

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Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und arbeitete als Arzt. Aber es gab auch eine andere Seite.

Der Attentäter von Magdeburg passt für Behörden und Sicherheitsexperten in kein gängiges Schema. In den sozialen Netzwerken präsentierte er sich als vehementer Kritiker des Islams und Saudi-Arabiens, engagierte sich aus dem Exil für Frauenrechte in seiner Heimat. Aber er hat auch eine andere Seite, und das offenbar schon lange – das wird nun immer deutlicher, nachdem Taleb A. auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mindestens fünf Menschen tötete und 200 weitere zum Teil schwer verletzte.

Viele rätseln vor allem über das Motiv des Mannes, der sich zuletzt immer kritischer auch zu deutschen Behörden und ihnen „geheime Operationen“ vorwarf. Seine teils wirren Äußerungen etwa in sozialen Netzwerken bieten Spielraum für Interpretationen. Die Behörden sind sich immer noch nicht im Klaren, ob sie die Tat als politisch motiviert einstufen.

Taleb A. kam nach Behördenangaben bereits 2006 nach Deutschland. Von 2011 bis Anfang 2016 habe er zunächst in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und in Stralsund einen Teil seiner Facharzt-Ausbildung absolviert, erklärte der Innenminister des Bundeslandes, Christian Pegel (SPD). Schon damals wurde er bei den Behörden mehrfach auffällig – mit der Androhung von Straftaten.

In einem Streit um die Anerkennung von Prüfungsleistungen habe er gegenüber Vertretern der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern mit einer Tat gedroht, die internationale Beachtung bekommen werde. Im Zuge von Ermittlungen habe es auch eine Durchsuchung bei Taleb A. gegeben, dabei seien aber keine Hinweise auf eine reelle Anschlagsvorbereitung gefunden worden. Im Jahr 2013 sei Taleb A. vom Amtsgericht Rostock wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten zu 90 Tagessätzen verurteilt worden.

In der Folge gab es weitere Auffälligkeiten. Den Verdacht der Nötigung im Januar 2014 etwa, der zu einer Gefährderansprache der Polizei geführt habe, wie Innenminister Pegel sagte. Der Mann sei auf Konsequenzen solcher Taten hingewiesen worden und ihm sei gesagt worden, dass man einen sehr viel genaueren Blick auf ihn haben werde. Die Richter, die ihn 2013 verurteilt hatten, habe er später in einer Petitionshotline der Bundesbehörden außerdem als Rassisten bezeichnet. Er habe dabei Überlegungen angedroht, sich eine Pistole zu besorgen und im Zweifel Rache an den Richtern nehmen, sagte Pegel. Als Gefährder sei der Mann aber nicht eingestuft worden.

Auch nicht von den Behörden in Sachsen-Anhalt, wo Taleb A. anschließend lebte. Im Februar 2016 beantragte er nach Informationen der dpa einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt Asyl als politisch Verfolgter.

Er wohnte zuletzt in Bernburg, einer kleinen Stadt knapp 50 Kilometer von Magdeburg, entfernt. Dort arbeitete er als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug und kümmerte sich um suchtkranke Straftäter. Das teilte das Gesundheitsunternehmen Salus mit. Seit März 2020 sei er in der Einrichtung tätig gewesen. „Seit Ende Oktober 2024 war er urlaubs- und krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst“, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens, das in Bernburg ein Fachklinikum für Psychiatrie und Suchtmedizin betreibt.

Doch in der Belegschaft gab es offenbar Misstrauen an dem Arzt und Zweifel an seinen Kompetenzen. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ zitiert einen Mitarbeiter: „Er heißt bei uns „Dr. Google“.“ Vor jeder gestellten Diagnose habe er im Internet nachschauen müssen. Es habe auch Hinweise an die Klinikleitung gegeben. Die Klinik wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Neben seiner Tätigkeit als Arzt ist Taleb A. als Aktivist und vehementer Islamkritiker unterwegs – vor allem in den sozialen Netzwerken, wo ihm schon vor dem Anschlag mehr als 40.000 Menschen folgen. Im Juni 2019 erschien ein Interview mit Taleb A. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte“, sagte er damals. Neben seinen Beiträgen in den sozialen Netzwerken beriet Taleb A. nach eigenen Aussagen Frauen unter anderem aus Saudi-Arabien bei Asylfragen und vermittelte deren Kontakt auch an internationale Medien.

Dabei legt er sich auch mit der Säkularen Flüchtlingshilfe Deutschland an, einem Verein, der sich um die Interessen atheistischer Flüchtlinge kümmert. Seit 2019 habe es Kontakt mit Taleb A. nur noch über Anwälte und Gerichte gegeben, hieß es in einem Statement des Vereins. Nach „übelsten Verleumdungen und verbalen Angriffen“ hätten Mitglieder der Flüchtlingshilfe Anzeige gegen Taleb A. bei der Polizei erstattet. Daraufhin habe es einen Prozess am Landgericht Köln gegeben.

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