„Spiegel“-Kolumnist Sascha Lobo erklärte bei Markus Lanz, was Elon Musk im Kampf gegen Demokratien antreiben könnte. Und warum die Grünen einfach nicht aus Fehlern lernen.
Bei ihrem ersten Auftritt in Markus Lanz‘ Talkshow musste die neue Grünen-Chefin Franziska Brantner die Wahlkampf-Maßnahmen ihrer Partei verteidigen. Auf die umstrittene Forderung des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck angesprochen, zur Finanzierung des Gesundheitswesens die Sparerträge der Bürger mit Sozialabgaben zu versehen, blieb sie eine konkrete Antwort schuldig. Stattdessen gab Brantner ein Versprechen ab, das weder den Moderator noch ihre Mitdiskutanten überzeugte.
- Franziska Brantner, Co-Vorsitzende der Grünen
- Carlo Masala, Militärexperte
- Robin Alexander, „Welt“-Vizechefredakteur
- Sascha Lobo, „Spiegel“-Kolumnist
Grundsätzlich gehe es darum, die Solidarität zu erhöhen. „Unser Ziel ist wirklich die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber und eine solide Finanzierung dieser Systeme“, führte sie aus. „Es ist meine Garantie, dass es diejenigen nicht treffen wird, die sie alle hier im Kopf haben“, versicherte die Grünen-Politikerin. Als Beispiele nannte sie die Krankenschwester, den Häuslebauer auf der Schwäbischen Alb und klassische ETF-Sparer. Einen Betrag, ab dem Kapitalerträge den Grünen-Plänen zufolge herangezogen werden sollen, nannte Brantner bewusst nicht, obwohl sowohl der Moderator als auch der „Welt“- Vizechefredakteur Robin Alexander minutenlang darauf drängten.
Der Journalist war auch hinsichtlich Brantners Garantie skeptisch, durchschnittliche Sparer zu verschonen. „Das wird nicht funktionieren. Sie müssen, wenn Sie die Arbeitseinkommen entlasten wollen, was aller Ehren wert ist, richtig viel Masse machen. Und das kriegen Sie nur, wenn Sie in die Breite gehen“, argumentierte Alexander und mutmaßte: „Sie wollen in Wirklichkeit, dass es alle zahlen.“
Wie der „Spiegel“-Kolumnist Sascha Lobo erklärte, könnten auch und besonders Selbstständige zu den Leidtragenden gehören. Deren Angespartes sei oft erzwungenermaßen hoch, da sie privat fürs Alter vorsorgen müssten. Auf Brantners Versuche, auch diese Gruppe auszunehmen, reagierte Lobo leicht spöttisch. Er wundere sich, „wie es die Grünen gefühlt seit 2009 vor ausnahmslos jedem Wahlkampf schaffen, irgendwie doch wieder einen Veggie Day einzubauen“. Es sei auch soziologisch interessant, dass es der Partei gelinge, konstant über den größtmöglichen Stein zu stolpern, stichelte der Journalist weiter.
Der unter dem Stichwort „Veggie Day“ bekannt gewordene Vorschlag aus dem Bundestagswahlkampf 2013, in öffentlichen Kantinen an einem Tag der Woche ausschließlich vegetarische und vegane Gerichte anzubieten, trug seinerzeit zur Verschlechterung der Umfragewerte für die Grünen und ihrem Ruf als Verbotspartei bei.
„Wir haben ja aus dem Veggie Day viel gelernt“, beteuerte Brantner. Gleichzeitig schätze sie an ihrer Partei, dass Probleme angesprochen und nicht die Augen davor verschlossen würden.
Das Urteil von Markus Lanz fiel trotz der Bemühungen der Grünen-Chefin verheerend aus. Die Partei sei mit einem Vorschlag nach vorne gegangen, der weder durchdacht noch mit Zahlen hinterlegt sei und ein unglaubliches Verhetzungspotenzial aufweise. „Mehr Steilvorlage kann man nicht liefern“, konstatierte der Moderator mit Blick auf die politische Konkurrenz von AFD und Union.
Als zweites prägendes Thema kristallisierte sich der Einfluss des reichsten Mannes der Welt auf die politischen Verhältnisse dies- und jenseits des Atlantiks heraus. Dabei habe Elon Musk, der Multimilliardär hinter Tesla, X und SpaceX, bis vor einigen Jahren sein Verhältnis zur Politik selbst als distanziert bezeichnet, wie Lanz erläuterte.
Musks Entwicklung wirke wie eine einzigartige, aber gleichzeitig internettypische Radikalisierungsgeschichte, befand Lobo. Entscheidend seien dabei soziale Medien und private Lebensereignisse gewesen. Nahe Beobachter würden die These vertreten, dass die Entfremdung von seiner Transgender-Tochter zu einem Zusammenbruch bei Musk geführt habe.
„Dass er sich radikalisiert, ist vollkommen klar“, stellte Lobo fest. Musk sehe sich als Vorkämpfer gegen das von ihm als solches bezeichnete „Woke-Mind-Virus“, einer ins Gefährliche gekippten Einstellung auf Grundlage von politischer Korrektheit und Achtsamkeit. Im Zuge dessen wolle er die Partei der US-Demokraten, die er für den politischen Hort dieser Weltanschauung halte, zerstören. „In dieser Radikalisierung sieht er sich und die Seinen angegriffen und schlägt mit aller Macht zurück.“
Musk schrecke bei seinem Feldzug gegen die westlichen Demokratien auch vor Verschwörungstheorien nicht zurück. „Das ist eine tragische Geschichte“, resümierte der Journalist. Der Tech-Milliardär hänge einer Ideologie namens „Longtermism“ an, die sich weniger an aktuellen Ereignissen als an der langfristigen Entwicklung der Menschheit orientiere. Daher rührten auch Musks Wunsch nach einer Besiedlung des Mars und seine Fixierung auf die Geburtenraten.