Nach einem umstrittenen Podcast mit Luke Mockridge entbrennt erneut die Debatte um „Cancel Culture“. Aber was genau bedeutet der Begriff eigentlich?

Der Begriff „Cancel Culture“ wird heutzutage recht schnell in den Raum geworfen – etwa, wenn ein Promi wegen eines Fehltritts öffentlich kritisiert wird. Ein aktuelles Beispiel ist Comedian Luke Mockridge, der nun bereits zum zweiten Mal vermeintlich „gecancelt“ wurde.

„Cancel Culture“ ist ein Begriff, der in den letzten Jahren Aufwind bekommen hat – besonders durch das Internet. Mit der #MeToo-Bewegung, die im Oktober 2017 startete, wurden sexuelle Übergriffe durch berühmte Persönlichkeiten erstmals im großen Stil öffentlich gemacht. Auch mit der späteren „Black Lives Matter“-Bewegung gab es Bemühungen, auf Missstände in Bezug auf Rassismus aufmerksam zu machen.

Ziel der „Cancel Culture“ ist es eigentlich, auf wahrgenommene Fehltritte oder problematisches Verhalten hinzuweisen und Druck auszuüben, um Veränderungen herbeizuführen oder die Übernahme von Verantwortung einzufordern. Bei der #MeToo-Bewegung ist dies auch teils geglückt – so wurde einer der Hauptbeschuldigten, Filmproduzent Harvey Weinstein, in einem Gerichtsprozess in mehreren Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.

Doch „Cancel Culture“ wird nicht immer positiv aufgefasst. So löst der Begriff immer wieder Kontroversen aus – in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch in der akademischen Welt. Auch Forschende sind sich hinsichtlich der Effektivität des „Cancelns“ uneins. Während es Wissenschaftler gibt, die der Auffassung sind, die Praxis gebe Minderheiten eine Stimme im öffentlichen Diskurs, vertreten andere eine gegenteilige Meinung.

Laut Joshua Knobe, Philosophieprofessor an der berühmten Yale-Universität, ist eine öffentliche Anprangerung in den meisten Fällen nicht effektiv. Auch Amanda Koontz, Soziologieprofessorin an der University of Central Florida, erklärte in einer Untersuchung, dass „Cancel Culture“ selten zu einem wirklichen gesellschaftlichen Wandel beitrage.

Stattdessen führe die Anprangerung von Individuen dazu, dass die Verantwortung auf einzelne abgewälzt werde, sich um die „größeren institutionellen oder systemischen Probleme“ dann aber nicht gekümmert werde.

„Cancel Culture“ wird auch immer wieder in Zusammenhang mit vermeintlicher (medialer) Zensur gebracht. Das spiegeln auch Umfragen wider. Eine Untersuchung der „New York Times“ aus dem Jahr 2022 zeigte, dass 84 Prozent von rund 1.000 befragten US-Amerikanern es für ein „sehr ernstes“ oder „etwas ernstes“ Problem halten, dass sie ihre Meinung nicht mehr frei äußern, weil sie Angst vor Vergeltung oder harscher Kritik haben.

„Cancel Culture“ ist ein zweischneidiges Schwert. Sie kann als Werkzeug für sozialen Wandel und Verantwortung dienen, indem sie auf Missstände aufmerksam macht und Machtverhältnisse hinterfragt. Allerdings besteht auch die Gefahr von Überreaktionen und einer Kultur der Intoleranz, in der Menschen Angst vor öffentlicher Verurteilung haben. Wichtig ist also, wie so oft, ein ausgewogenes Vorgehen.

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