Die Wirtschaftslage in Deutschland ist mau, doch die Börse entwickelt sich prächtig. Wie passt das zusammen? Und was heißt der Dax-Rekord für Anleger?

An der Börse wird die Zukunft gehandelt, heißt es. Und diese halten Anleger in diesem Jahr offenbar für besonders rosig. Schon zum dritten Mal innerhalb von nur neun Monaten hat der Dax eine Tausender-Marke geknackt: Mehr als 20.000 Punkte zählte der deutsche Leitindex am Dienstag – so viele wie noch nie in seiner Geschichte.

Für Laien mag diese Entwicklung seltsam anmuten. Schließlich heißt es doch überall, die deutsche Wirtschaft gehe am Stock. Krisenstimmung bei den Unternehmen, Feierlaune an der Börse – wie passt das zusammen? Und was bedeutet der Höhenflug des Dax für Privatanleger? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

„Die Börse ist nur bedingt ein Spiegel der aktuellen Lage“, sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Geldratgebers „Finanztip“, t-online. „Vielmehr zeigt sie, wie die Anleger in die Zukunft schauen, welchen Unternehmen sie zutrauen, Dividenden auszuschütten und Kursgewinne einzufahren. Das ist immer auch mit Übertreibungen verbunden.“

Zudem handelt es sich beim Dax um einen Aktienindex, also einen statistischen Wert, der die Entwicklung einer ganzen Gruppe von Aktien darstellt. „Wenn die deutsche Automobilindustrie nicht funktioniert, heißt das nicht, dass es bei SAP nicht funktionieren kann“, so Tenhagen. „Viele Dax-Unternehmen machen den Großteil ihres Umsatzes zudem gar nicht in Deutschland, sondern in den USA, in China oder Südostasien.“ Deutschland ist für sie also nur ein Markt unter vielen.

Einer der Treiber für den Dax-Höhenflug war der Softwarekonzern SAP. „Allein der Kursanstieg von SAP seit Jahresbeginn macht 900 Dax-Punkte aus“, sagt Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Weitere Zugpferde seien Telekom, Siemens, Siemens Energy, Allianz und Münchener Rück gewesen. „Die anderen 34 Aktien sind zwar zum Teil auch kräftig gestiegen, aber viele sind auch kräftig gefallen, sodass sich das unterm Strich aufhebt.“

Schon seit Monaten hoffen Anleger darauf, dass die Notenbanken ihre Leitzinsen weiter senken – schließlich ist die Inflation zuletzt deutlich gefallen. Für Aktien würde das bedeuten, dass sie im Vergleich zu festverzinslichen Papieren weiter an Attraktivität gewinnen. Auch Kredite würden dann günstiger, wodurch die Chance steigt, dass Unternehmen wieder mehr investieren und die Wirtschaft angekurbelt wird.

Auch der Wiedereinzug von Donald Trump ins Weiße Haus könnte eine Rolle spielen. Seit seinem Sieg bei den US-Wahlen Anfang November steigen die Kurse an der Wall Street. „Allein das erzeugt eine Sogwirkung, der sich der Dax nicht entziehen kann“, erklärt Stanzl. Trump hat niedrigere Steuern für Unternehmen, weniger Regulierung und Importzölle versprochen. Davon könnten auch Konzerne aus Deutschland profitieren, die in den USA aktiv sind.

„Darüber hinaus könnten europäische Unternehmen Nutznießer sein, wenn sich chinesische Produkte noch deutlich stärker verteuern und dadurch Marktanteile an Konkurrenten aus der Europäischen Union übergehen. Ganz in Eigenproduktion werden die USA ihre Importe kaum ersetzen können“, erläutert Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden bei der DZ Bank, in seinem Ausblick für 2025.

Nicht zuletzt hat auch die Jahreszeit einen Effekt: „Zum Jahresende ist immer ein bisschen Börsentrubel, weil die institutionellen Anleger wie Versicherungen und Banken versuchen, ihre Positionen zu verbessern“, erklärt Finanzexperte Tenhagen. Angesichts der starken Jahresbilanz des Dax mit einem Gewinn von knapp 19 Prozent dürften die Kurse zum Jahresausklang weiter steigen – die sogenannte Jahresendrallye ist also in vollem Gang.

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