Warnstreik bei VW

„Stinksauer und fassungslos“

09.12.2024 – 20:49 UhrLesedauer: 3 Min.

IG-Metall-Chefin Christiane Benner: Scharfe Kritik am VW-Vorstand. (Quelle: Marcus Brandt/dpa/dpa-bilder)

Wie kommt Europas größter Autobauer aus der Krise? Das Management plant Lohnkürzungen von zehn Prozent. Zur vierten Tarifrunde geht die IG Metall an neuen Standorten auf die Straße.

Beifall für die IG-Metall-Spitze, „Buh“-Rufe in Richtung der Vorstandetage von Volkswagen: Begleitet von Warnstreiks und lautstarkem Protest hat bei VW die vierte Tarifrunde begonnen.

In Werken des Autobauers legten Beschäftigte zeitweise die Arbeit nieder, Zehntausende kamen laut IG Metall zur zentralen Protestkundgebung direkt am Vorstandshochhaus. Mit deutlicher Verspätung begannen am Nachmittag in der Volkswagen Arena die Tarifgespräche. Sie könnten sich bis zum späten Abend hinziehen.

VW fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns von den Mitarbeitern eine Lohnkürzung von zehn Prozent. Auch Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum, weil Volkswagen zu wenige Autos verkauft. Die IG Metall fordert jedoch den Erhalt aller Standorte und eine Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter. Lohnkürzungen lehnt die Gewerkschaft ab.

Sie sei „stinksauer und fassungslos über das Agieren“ des Vorstandes, sagte die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner bei der Kundgebung. „Statt intelligenter Lösungen bieten sie Kahlschlag und Stellenabbau.“ Schuld an der Krise seien nicht die Mitarbeiter, sondern viele falsche Entscheidungen des Managements. Und diese Probleme löse man nicht mit Werkschließungen, Kündigungen und Lohnkürzungen, so Benner.

Die Mitarbeiter des Stammwerks, die am Vormittag in den Warnstreik getreten waren, quittierten die Sparpläne des Konzerns mit lauten Pfeifkonzerten Rufen in Richtung des Vorstandshochhauses direkt hinter der Bühne. Sie riefen im Sprechchor: „Streikbereit! Bundesweit!“

„Zukunft sonst Widerstand“: VW-Mitarbeiter protestieren in Chemnitz. (Quelle: IMAGO/haertelpress/imago)

Neun von zehn Standorten im Streik

Begleitet wurde der Protest vom zweiten flächendeckenden Warnstreik an neun der zehn deutschen VW-Standorte. Betroffen waren neben Wolfsburg auch die Werke in Zwickau, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig, Salzgitter und Chemnitz sowie die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden.

Anders als beim ersten Ausstand am vergangenen Montag sollte die Arbeit in jeder Schicht nicht nur für zwei Stunden ruhen, sondern für vier Stunden. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich bis allein in Wolfsburg bis zum frühen Nachmittag 38.000 Beschäftigte an dem Ausstand. An allen neun Standorten zusammen zählte die Gewerkschaft bis zum Nachmittag 68.000 Teilnehmer.

Die IG Metall hatte angeboten, eine mögliche Lohnerhöhung vorerst nicht auszuzahlen, sondern in einen Zukunftsfonds einzubringen. Dem Konzern stellte sie dabei eine Kostenentlastung von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Im Gegenzug sollte VW auf Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten.

Die Arbeitnehmerseite sei mit ihrem eigenen Sparvorschlag „einen Riesenschritt“ auf die Arbeitgeber zugegangen, erklärte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. „Das Unternehmen muss sich jetzt auf die IG Metall zubewegen.“

VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel bekräftigte zum Auftakt der vierten Tarifrunde den Sparwillen des Konzerns. „Wir brauchen weiterhin Kostenentlastungen, die kurzfristig umsetzbar und nachhaltig sind.“ Das von der Gewerkschaft im November vorgelegte Konzept reiche hier „noch nicht“ aus. „Deshalb müssen wir heute weitere Potenziale finden.“

VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel: Will kurzfristig stark sparen. (Quelle: Moritz Frankenberg/dpa/dpa-bilder)

Die Ablehnung des Konzepts fiel damit weniger schroff aus als zuvor. Bisher hatte VW erklärt, das IG-Metall-Angebot reiche „bei Weitem“ nicht aus und bringe überwiegend keine nachhaltige Entlastung.

Beide Seiten hatten im Vorfeld mehrfach erklärt, sich am liebsten vor Weihnachten einigen zu wollen. Sollte es nun zu einer Annäherung kommen, so sei dies weiter möglich, sagte Gröger. Die IG Metall sei dann auch zu weiteren Verhandlungen in dieser und der nächsten Woche bereit. Andernfalls drohte er bereits mit einer Ausweitung des Arbeitskampfs. „Dann gibt es 2025 auf den Sparhammer als Antwort nur eines: den Streikhammer!“

Am vergangenen Montag waren laut IG Metall bereits fast 100.000 Mitarbeiter für zwei Stunden in den Warnstreik getreten. Betroffen waren dieselben neun Standorte, an denen auch nun wieder zum Ausstand aufgerufen wurde. Nur das um seine Zukunft bangende Werk in Osnabrück fällt nicht unter den Haustarifvertrag, um den derzeit gerungen wird.

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