
Gerichte müssen zwar grundsätzlich respektieren, wie viele Quadratmeter Vermieter für sich oder Angehörige für angemessen halten, trotzdem gibt es weit überhöhten Wohnbedarf, der einen Rechtsmissbrauch darstellt. Wann der vorliegt, hängt aber nicht von einer bestimmten Wohnfläche ab. Vielmehr muss die Rechtsprechung die genauen Umstände von Fall zu Fall prüfen.
- Beispiel: Eine Eigentümerin hat den Mietern einer Vierzimmerwohnung mit 120 Quadratmetern gekündigt. Zur Begründung führte sie an, ihre 19-jährige Tochter beginne eine Berufsausbildung und brauche eine eigene Wohnung. Dem war auch so. Allerdings sah das Landgericht Berlin in dem konkreten Fall einen weit überhöhten Wohnbedarf, weil die junge Frau zum Zeitpunkt der Kündigung noch in ihrem Kinderzimmer wohnte und ihr Hausstand lediglich aus einem Schreibtisch, einem Bett und einem Kleiderschrank bestand. Nach der Zeugenvernehmung war das Gericht der Ansicht, dass die Tochter auch mit einer halb so großen Wohnung zufrieden sei (Az. 64 S 50/20).
Damit eine Eigenbedarfskündigung wirksam ist, muss sie bestimmten Formalia genügen (mehr dazu unten). Unter anderem muss der Vermieter in seinem Kündigungsanschreiben die Person angeben, für die er die Wohnung benötigt. Die Nennung des Namens ist nur dann nicht erforderlich, wenn der Mieter die entsprechende Person auch so ohne Weiteres identifizieren kann.
Außerdem muss der Vermieter das konkrete Interesse der Person an der Wohnung plausibel begründen. Die schlichte Mitteilung, dass der Vermieter die Wohnung „für notwendige Aufenthalte als Zweitwohnung“ nutzen will, reicht nicht aus (Landgericht Berlin, Az. 67 S 249/17).
Eigenbedarf muss nachvollziehbar begründet werden. Verwickelt sich ein Eigentümer bei der Befragung vor Gericht in Widersprüche, ist diese Voraussetzung nicht gegeben.
- Beispiel: Ein Vater hat Eigenbedarf für seine vermietete Eigentumswohnung geltend gemacht. Einziehen sollte sein Sohn, mit dem er eigenen Bekundungen zufolge in beengten Verhältnissen in einer anderen Wohnung lebte. In der Befragung vor dem Landgericht Berlin machten Vater und Sohn allerdings widersprüchliche Angaben über ihr Einkaufsverhalten und die Frage, ob es einen Kühlschrank gibt. Auch einen typischen Tagesablauf in der angeblich gemeinsamen Wohnung konnte keiner der beiden detailreich schildern (Az: 63 S 192/19).
Eine Eigenbedarfskündigung ist unzulässig, wenn der Eigenbedarf schon bei Abschluss des Mietvertrags bestand oder abzusehen war. Die Schwierigkeit für Mieter besteht allerdings darin, das nachzuweisen.
Kein Eigenbedarf ohne Begründung. Lag zwar zum Zeitpunkt der Kündigung noch ein Grund vor, erledigte sich aber im Anschluss, ist auch die Kündigung vom Tisch. Ein Beispiel wäre, dass sich ein Paar nach einer Trennung doch wieder versöhnt.
Verschweigt der Vermieter das, riskiert er Schadenersatzforderungen. Der frühere Mieter darf dann zum Beispiel verlangen, dass sein Ex-Vermieter für die Umzugskosten aufkommt. Gleiches gilt bei vorgetäuschtem Eigenbedarf.
Der Verkauf einer Wohnung oder Immobilie rechtfertigt in der Regel nicht, dem Mieter wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Er darf zunächst unter dem neuen Besitzer wohnen bleiben. Allerdings kann dieser ihm durchaus aus Eigenbedarfsgründen kündigen – sofern eine mögliche Kündigungssperrfrist abgelaufen ist (mehr dazu unten).
In Ausnahmefällen kann aber auch eine sogenannte Verwertungskündigung rechtens sein. Der Vermieter kündigt dann allen Mietern, weil das Haus ihm mehr Geld bringt, als wenn es noch bewohnt wäre. Das ist aber nur dann erlaubt, wenn er in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt.
Eigenbedarf kann man in der Regel nur zu Wohnzwecken anmelden. Wer eine Wohnung ausschließlich zu gewerblichen Zwecken benötigt, hat das Nachsehen (BGH, Az. VIII ZR 45/16). Allerdings gibt es Ausnahmen.
Kann der Vermieter zum Beispiel nachweisen, dass die selbstständige Tätigkeit nur dann rentabel ist, wenn er seine Immobilie dafür nutzt, oder er sie aus gesundheitlichen Gründen benötigt, kann sein Interesse über dem des Mieters liegen.