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Mario Voigt will sich in Thüringen zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Problem: Seine Koalition aus CDU, SPD und BSW hat dafür nicht die notwendige Mehrheit. Braucht er am Ende die Stimmen der AfD?

Darauf hat Mario Voigt lange gewartet. An diesem Donnerstag stehen die Chancen für den CDU-Politiker aus Thüringen gut, zum nächsten Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Nachdem die CDU bei der Landtagswahl mit 23,6 Prozent zweitstärkste Kraft geworden war, ist es Voigt gelungen, mit SPD und BSW die erste Brombeer-Koalition zu verhandeln. Der Vertrag steht, jetzt benötigt der CDU-Spitzenkandidat nur noch eine Mehrheit, um in das Amt des Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Zumindest, wenn es im ersten oder zweiten Wahlgang gelingen soll. Denn da wird laut Thüringer Verfassung eine absolute Mehrheit benötigt.

Das Problem: Genau die fehlt Voigt Stand jetzt noch. CDU, SPD und BSW kommen zusammen auf 44 Sitze im Landtag. Die Opposition aus Linkspartei und AfD zählt insgesamt ebenso viele. Voigt und dem Brombeer-Bündnis fehlt also exakt eine Stimme. An diesem Donnerstagmorgen könnte es im Thüringer Landtag in Erfurt deshalb noch einmal spannend, wenn nicht sogar nervenaufreibend werden.

Theoretisch könnte Voigt pokern. Wenn weder er noch irgendwer anderes im ersten oder zweiten Wahlgang durchkommt, reicht im dritten Wahlgang eine relative Mehrheit aus, um zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Das heißt, der Kandidat, der die meisten Stimmen bekommt, gewinnt. Das dürfte aller Voraussicht nach Voigt sein. Nur will man, so heißt es aus Kreisen der CDU, jedes Risiko vermeiden. Was, wenn am Ende doch nicht alle aus der Koalition mitstimmen? Die AfD könnte parallel Björn Höcke aufstellen. Und wenn der dann mehr Stimmen bekäme, gäbe es in Thüringen plötzlich den ersten AfD-Ministerpräsidenten.

Also versucht die CDU, bereits eine Mehrheit im ersten Wahlgang zu organisieren. Da wird Voigt vermutlich als einziger Kandidat antreten. Die fehlende Stimme könnte von den Linken kommen. Der ehemalige Ministerpräsident Bodo Ramelow hat hier bereits durchklingen lassen, dass seine Partei das nicht ausschließt.

Sollte die Linke sich jedoch anders entscheiden, fehlt Voigt weiter eine Stimme. Was, wenn die am Ende von der AfD kommt? Dann käme der CDU-Politiker mithilfe der Rechtspopulisten ins Amt. Es ist eine Situation, die die CDU um jeden Preis verhindern will. Sie wäre das endgültige Ende der Brandmauer.

Die Erfahrung: Kemmerich und der Höcke-Handschlag

Und eine Lage, die unweigerlich an die jüngste Wahl eines Ministerpräsidenten in Thüringen erinnert. 2020 bekam Bodo Ramelow im ersten und zweiten Wahlgang zunächst keine Mehrheit im Parlament. In der dritten Runde wurde dann plötzlich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich ins Amt gewählt. Die Liberalen wählten ihn damals gemeinsam mit der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten und lösten damit ein politisches Erdbeben aus.

Ein Handschlag der nachwirkte: AfD-Politiker Höcke (r.) gratuliert damals Kemmerich (FDP) (Quelle: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa./dpa)

Ein bundesweiter Skandal – und ein Erfolg für die AfD: Die Partei, die in Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt, sah sich selbst als Königsmacher. „An der AfD führt kein Weg mehr vorbei“, schrieb die heutige Parteichefin Alice Weidel damals auf „X“. Der Moment wurde zum Dammbruch. AfD-Politiker gratulierten Kemmerich, gaben ihm die Hand, darunter auch Björn Höcke, ein Mann, der gerichtsfest als Faschist bezeichnet werden darf.

Der Vorgang ging als Tabubruch in die Geschichtsbücher ein. Es war die erste Kooperation zwischen bürgerlichen Parteien und einer rechtsextremen Partei und von einem solchen politischen Ausmaß, das viele den Vergleich zur Weimarer Republik zogen. Wenige Tage nach seiner Wahl trat Kemmerich zurück. Will die CDU nun also riskieren, das Ganze zu wiederholen?

Es ist eine heikle Situation, in der sich Mario Voigt und seine CDU in Thüringen befinden. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass die AfD ihnen zu einer Mehrheit verhilft. Bereits im September 2023 hat die Thüringer CDU mit den Stimmen der AfD und FDP ein Gesetz im Landtag verabschiedet. Dabei ging es um eine Senkung der Grunderwerbssteuer. Auch in den eigenen Reihen der Christdemokraten herrschte damals Unwohlsein deswegen. Hatte man hier bewusst die Beteiligung der AfD einkalkuliert? Gab es womöglich sogar Absprachen?

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