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Rettet er Die Linke mit seinem Direktmandat oder geht er mit ihr unter? Mit 77 Jahren will Gregor Gysi ein letztes Mal in den Bundestag einziehen.

Spätestens seit dem Ausscheiden von Sahra Wagenknecht ist Gregor Gysi der prominenteste Vertreter der Linkspartei. Die Beliebtheit des Berliners ist auch im Bundestag zu spüren, wo t-online Gysi zum Interview trifft. „Gysi? Das ist der Sympathischste von allen“, sagt ein Wachmann an der Sicherheitskontrolle.

Der Beliebtheit seiner Partei hilft das aber nur bedingt. 2021 verfehlte Die Linke die 5-Prozenthürde, nur wegen dreier Direktmandate ist sie noch im Bundestag. Auch diesmal droht der Partei der Gau. Im Interview spricht Gysi über die Krise seiner Partei und der europäischen Linken, den innerlinken Streit über den Nahostkonflikt und sein Verhältnis zur Regierung Wegner.

t-online: Herr Gysi, wann schien Ihnen die Welt das letzte Mal in Ordnung?

Gregor Gysi: In Ordnung war sie noch nie. Zumindest in einem Sinne, wie ich sie in Ordnung fände. Was mich aber erstaunt: Während des Kalten Krieges war die Welt stabiler als heute, trotz der Zuspitzung zwischen USA und Sowjetunion. Wenn die damals einen Kompromiss gefunden haben, dann galt er. Die westlichen Staaten hatten allerdings entscheidende Vorteile gegenüber den sozialistischen, die heute nicht mehr so klar gegeben sind, weil das Gegenüber fehlt.

Welche Vorteile meinen Sie?

Eine bessere Waren- und Dienstleistungsdecke, eine frei umtauschbare Währung und deutlich mehr Freiheit und Demokratie. Nach 1945 waren die sozialistischen Länder zwar sozial gerechter, aber in den anderen Punkten unterlegen. Aber mit der Zeit wuchs der Wunsch nach Freiheit und Demokratie. Weil der nicht erfüllt wurde, sind die sozialistischen Länder implodiert. Meloni, Trump, Orban und die AfD hätten im Kalten Krieg keine Chance gehabt.

Gregor Gysi (Die Linke) wurde 1948 in Berlin geboren. In der DDR absolvierte er eine Ausbildung als Rinderzüchter und studierte Rechtswissenschaften. 1989 war er dann kurzzeitig Vorsitzender der SED, nach der Wiedervereinigung wurde er dann Vorsitzender der PDS. 1990 zog er erstmals in den Bundestag ein. 2002 war er dann kurzzeitig Berliner Wirtschaftssenator, trat nach einer Affäre um Bonusmeilen jedoch zurück. Seit 2005 sitzt er wieder im Bundestag.

Weil Freiheit und Demokratie das Faustpfand im Kampf gegen die sozialistischen Länder waren. Weil es diese nicht mehr gibt, nehmen auch im Westen autoritäre Bewegungen zu. Die sagen, dass autoritäre Strukturen effizienter sind, weil alles schneller geht. Das mag stimmen. Aber da ich beide Seiten kenne, bin ich leidenschaftlicher Kämpfer für Freiheit und Demokratie. Im Bundestag gibt es leider zu wenige davon, die es ernst nehmen.

Die Demokraten müssten sich gegen die AfD zusammentun. Zu viele wollen aber die AfD verhindern, indem sie deren Inhalte teils übernehmen und denken, dass sie dadurch auch deren Wähler bekommen. Das ist ein Irrtum. Damit legitimieren sie nur die Wahl der AfD.

Nicht nur in Deutschland ist Die Linke in der Krise, in ganz Europa schwächeln linke Parteien. Wie erklären Sie sich das?

Die DDR wird in Farbe gezeigt, die Nazizeit in Schwarz-weiß. Das eine ist Gegenwart, das andere Mittelalter. Die rechte Gefahr wird nicht ernst genug genommen, die linke schon. Das ist ein Problem, europaweit. Wir waren als PDS lange eine Ausnahme. Aber nicht, weil wir links waren, sondern weil wir die einzige ostdeutsche Partei waren.



Viele Menschen fühlten sich von uns nicht mehr angesprochen, weil wir uns nur mit uns selbst beschäftigten.


Gregor Gysi


Ihre Partei ist seit Jahren von innerparteilichem Streit geprägt. Viele haben gehofft, dass die Abspaltung des Wagenknecht-Flügels ein Befreiungsschlag sein kann. Das spiegelt sich zumindest in den Umfragen nicht wider. Warum nicht?

Die Partei war in einer existenziellen Krise, was nicht nur an Wagenknecht lag. Wir waren stark zerstritten, waren ein Laden der tausend kleinen Dinge. Beim vorletzten Parteitag haben wir einen ganzen Tag nur über Sexismus geredet, als Partei in einer existenziellen Krise. Das ist ein wichtiges Thema, aber das geht so nicht. Viele Menschen fühlten sich von uns nicht mehr angesprochen, weil wir uns nur mit uns selbst beschäftigten. Aber das haben wir überwunden. Beim Parteitag im Herbst habe ich wieder eine Geschlossenheit gespürt. Deshalb trete ich auch wieder an. Und bin optimistisch, dass wir das schaffen.

Diese Geschlossenheit ist beim Parteitag des Berliner Landesverbandes nicht so zu spüren gewesen. Im Streit über den Nahostkonflikt sind danach einige Mitglieder ausgetreten, darunter der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer.

Ich bedauere die Austritte und hatte gehofft, dass es nicht so weit kommt. Für uns als Linke muss klar sein, dass Hisbollah und Hamas Terrororganisationen sind. Ein Berliner Mitglied, das das nicht akzeptieren wollte, wurde nun ausgeschlossen (Anm. d. Red.: Ramsis Kilani). Das begrüße ich. Wir wollen ein souveränes, unabhängiges Israel und ein souveränes, unabhängiges Palästina. Dazu gehört die Überwindung von Hamas und Hisbollah. Antisemitismus können wir uns nicht leisten.

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