Marian Turski ist tot
Vor drei Wochen hatte er noch eindringlich gewarnt
18.02.2025 – 23:44 UhrLesedauer: 3 Min.
Vor drei Wochen hatte Marian Turski noch eine eindringliche Rede in Auschwitz gehalten. Nun ist der Holocaust-Überlebende gestorben.
Der Überlebende des deutschen Konzentrationslagers Auschwitz und Präsident des Auschwitz-Komitees, Marian Turski, ist tot. Wie das polnische Magazin „Polityka“ am Dienstag mitteilte, starb sein früherer Mitarbeiter Turski im Alter von 98 Jahren. Am 27. Januar hatte der 1926 als Mosche Turbowicz geborene Turski noch eine Rede bei der Gedenkveranstaltung an die Auschwitz-Befreiung gehalten und vor einem „enormen Anstieg des Antisemitismus“ gewarnt.
„Auschwitz-Überlebende in vielen Ländern verabschieden sich mit großem Schmerz und unendlicher Dankbarkeit von ihrem Freund, Bruder und Leidensgefährten Marian Turski, der in aller Welt als wirkmächtiger Vertreter ihrer Erinnerungen und als Stimme ihrer ermordeten Angehörigen gehört wurde“, teilte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, mit.
Bis in seine letzten Lebenstage hinein habe Turski als Journalist und Zeitzeuge die politischen Entwicklungen mit zunehmender Sorge verfolgt. Er sei bestürzt gewesen angesichts des europaweiten Aufflammens antisemitischer und rechtsextremer Ideologien und der rhetorischen Gewalt, mit der die Repräsentantinnen und Repräsentanten dieser Ideologien besonders junge Menschen zu radikalisieren versuchten, hieß es von Heubner weiter.
„Umso mehr bleibt uns als eine seiner letzten Botschaften, der letzte Satz, den er in seiner Rede anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz für die Gedenkfeier am 23. Januar in Berlin formulierte: ‚Unsere Tage, die der Überlebenden, sind gezählt: Aber wir werden nicht verstummen, wenn Sie, Sie alle nicht schweigen.'“
Turski war 1944 nach Auschwitz deportiert worden. Als sich die Rote Armee dem Vernichtungslager näherte, gehörte er zu den Lagerinsassen, welche die SS auf einen der sogenannten Todesmärsche in Richtung Westen schickte. Turski überlebte, später studierte er Geschichte und arbeitete als Journalist. Häufig warnte er vor der Gefahr des politischen Extremismus und der Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten.
„Polityka“ würdigte Turski in einer Mitteilung als „außergewöhnlichen Mann, Zeitzeugen und Freund“. Seine Stimme sei „auf der ganzen Welt gehört“ worden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte im Onlinedienst X an das von Turski formulierte elfte Gebot „Du sollst nicht gleichgültig sein“. Nicht gleichgültig zu sein, sei eine Staats- „und eine Bürgeraufgabe, die wir weitertragen. Es ist unsere Verpflichtung“, erklärte Scholz. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erinnerte bei X an den berühmten Satz Turskis. Sein Vermächtnis sei nun „unser aller Auftrag, seine Botschaft für die Erinnerung an die Shoah und Versöhnung in Europa weiterzutragen“, erklärte Baerbock.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete Turski als Menschen „von unfassbarer Güte, Mut und Kämpfergeist“. Er werde „nicht nur als unermüdlicher Mahner gegen das Vergessen, gegen den Hass und die Unmenschlichkeit fehlen, nicht nur als beharrsamer Vertreter von Holocaust-Überlebenden weltweit, sondern auch als Mensch Marian Turski“, erklärte Roth.
Bei der Gedenkveranstaltung in Auschwitz war Turski am 27. Januar einer von vier Überlebenden des Lagers, die das Wort ergriffen. Der Antisemitismus, der nun wieder ansteige, sei „genau der Antisemitismus, der zum Holocaust geführt hat“, sagte er in seiner Rede. Auch warnte er davor, allzu leichtfertig die Narrative von Rechten zu übernehmen.
„Wir sollten uns nicht scheuen, Verschwörungstheorien entgegenzutreten, wonach alles Schlechte in der Welt ein Ergebnis von Verschwörungen ist, die von nicht näher bezeichneten Gruppen in der Gesellschaft angezettelt werden, und Juden werden hier oft genannt“, sagte Turski vor drei Wochen.
Die Nazis hatten im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen zwischen 1940 und 1945 mehr als eine Million Menschen ermordet, die meisten waren europäische Jüdinnen und Juden. Das Lager steht wie kein zweites für den Massenmord an den Juden durch das deutsche NS-Regime.