Die Abhöraffäre der deutschen Luftwaffe ist noch lange nicht ausgestanden. Nun musste Verteidigungsminister Pistorius zum Rapport – und gibt ein neues Detail bekannt.

International eine Blamage, für den Kreml ein Propagandaerfolg: Der Skandal um ein geleaktes Gespräch zwischen hochrangigen Bundeswehroffizieren wirft einen Schatten auf den deutschen Sicherheitsapparat. Noch immer ist nicht vollkommen geklärt, wie russische Stellen es schafften, die Schalte am 19. Februar abzuhören und später zu veröffentlichen. In dem Gespräch diskutieren die Offiziere unter anderem, wie der deutsche Marschflugkörper Taurus gegen die russische Armee eingesetzt werden könnte, falls dieser an die Ukraine geliefert würde.

Experten sprechen vom wohl größte Datenleck im deutschen Sicherheitsapparat seit Jahren (hier lesen Sie mehr zu dem Leak). Umso höher ist der politische Druck, die Affäre schnell aufzuklären – auch im Hinblick auf mögliche weitere Leaks. Am Montagabend musste daher Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zum Rapport in den Bundestag. In einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses waren auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, und die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg, geladen.

Einer, der zwar eine Mitverantwortung für den Skandal trägt und jetzt disziplinarische Konsequenzen fürchten muss, fehlte jedoch: Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz. Gegen den Generalleutnant laufen Ermittlungen des MAD, daher sah man von einer Vorladung ab, heißt es aus Ampelkreisen.

Opposition fordert Aufklärung – Ampel auch

Schon im Vorfeld der Sondersitzung war die politische Fallhöhe enorm: Die Opposition forderte kompromisslose Aufklärung. Aber auch in den Ampel-Reihen scheute man keine klaren Worte: „Der Informationskrieg von russischer Seite gegen Europa, die Nato und Deutschland wird an Massivität und Boshaftigkeit eher zunehmen“, erklärten Konstantin von Notz, der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums und der Obmann der Unionsfraktion, Alexander Hoffmann (CSU).

Die Union zeigte sich zudem empört, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht persönlich vor dem Ausschuss erschien – auch, um ihn erneut zu seinem Taurus-Nein zu befragen. Den Gefallen taten ihr, aus offensichtlichen Gründen, die Ampel-Abgeordneten allerdings nicht.

Auch Luftwaffeninspekteur Gerhartz umging Vorschriften

In der Sitzung selbst dominierte laut Teilnehmerangaben jedoch eher der Wunsch nach restloser Aufklärung des Datenlecks. Die Stimmung war „nicht aggressiv, auch nicht von der Union“, hieß es demnach. Es sei auch nicht gefordert worden, „dass Köpfe rollen“.

Stattdessen ist die Affäre um ein pikantes Detail reicher: Wie Pistorius nach dem Treffen bekannt gab, hatte auch ein zweiter Teilnehmer gegen Dienstvorschriften verstoßen: Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz. Neben Brigadegeneral Frank Gräfe, der sich aus Singapur in die Telefonschalte am 19. Februar eingewählt hatte, hatte sich auch Gerhartz über eine unsichere Leitung zugeschaltet. Allerdings, so stellte Pistorius klar, seien bei Gerhartz keine Daten abgeflossen.

Pistorius: Putin nicht auf den Leim gehen

Der Verteidigungsminister stellte sich wie schon zuvor hinter seinen General: „Ich bin nicht gewillt, das will ich noch mal deutlich sagen, Putin hier auf den Leim zu gehen und meine besten Offiziere, ob sie hier einen Fehler gemacht haben oder nicht, an die Luft zu setzen“, sagte Pistorius. „Das wäre genau das, was Wladimir Putin von uns erwartet.“ Schon kurz nach Bekanntwerden des Leaks Pistorius gesagt, er werde nicht einen seiner besten Offiziere „Putins Spielen opfern“.

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Alexander Müller, sprang Pistorius in dieser Frage bei: „Der Minister hat Recht: Wir sollten Putin nicht den Gefallen tun, jetzt einen unserer Generäle abzuschießen“, so Müller zu t-online. Es gebe ein juristisches Verfahren, das nun befolgt werden müsse. „Wir dürfen nicht aus einer Laune heraus politische Strafen verhängen.“

Zudem sei jeder Teilnehmer selbst für die Informationen verantwortlich, die er aus Geheimhaltungsgründen womöglich nicht hätte aussprechen dürfen. „Gerhartz trägt nicht die alleinige Verantwortung“, so der FDP-Politiker.

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