
Dass sich die US-Regierung mit ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie von Europa entfernt, war für Merz nach eigenem Bekunden keine Überraschung. Er bemühe sich angesichts der weltweiten „tektonischen“ Verschiebung von Machtzentren um die Einheit Europas: „Wenn das jemand kann, qua Amt, dann ist das der deutsche Bundeskanzler.“ Er versuche, die Amerikaner davon zu überzeugen, dass auch sie Partner in der Welt brauchen.
Um Einheit ringt Merz zudem bei der Frage, ob das in Europa eingefrorene russische Staatsvermögen zur Unterstützung der Ukraine eingesetzt werden kann. Unter anderem Belgien hat Bedenken. Nach den Erfolgsaussichten gefragt, sagte der Kanzler:“ Aus heutiger Sicht: Fifty-Fifty.“
In der 25-minütigen Fragerunde ging es ferner um eine Zwischenbilanz des ersten Regierungsjahres von Schwarz-Rot. Viele Unions-Wähler seien tief enttäuscht, dass der konservative Friedrich Merz mehr SPD-Politik macht statt CDU pur, sagte Schausten. „Ich erlebe in großen Teilen der Bevölkerung so eine fürchterliche Ungeduld“, antwortete Merz. Anstatt mit der Faust auf den Tisch zu hauen, müsse er mit dem Koalitionspartner Kompromisse finden. Kompromisse seien kein „Notnagel“, sondern Bestandteil einer Demokratie.
Merz zeigte jedoch Verständnis dafür, dass auch aus der Wirtschaft die Kritik an der Bundesregierung wächst, Reformen zu langsam umzusetzen. „Wir brauchen mehr Zeit, als wir auch selbst gedacht haben“, räumte der Kanzler im ZDF ein. Das erste Regierungsjahr sei anstrengend, aber auch motivierend gewesen.
Im Januar beginnt laut Merz das wichtigste Reformjahr für diese Koalition. Bis Dezember 2026 müssten die wichtigsten Themen dieser Wahlperiode auf den Weg gebracht worden sein, nahm er seine Regierung in die Pflicht. Mit der AfD zu „liebäugeln“ schloss Merz trotz hoher Umfrageergebnisse der Partei vor den anstehenden Landtagswahlen weiter aus: „Das kommt mit mir nicht infrage.“
Die Sendung wurde am Dienstag aufgezeichnet.