Angesichts der realen Gefahr einer Ausweitung des Ukraine-Krieges verspricht Markus Söder bei „Caren Miosga“ Sicherheit, aber ohne Steuererhöhungen.
Caren Miosga diskutierte am Sonntagabend in der ARD mit ihrer Talkrunde über die deutsche Bedrohungslage in den unruhigen Zeiten von Putin und Trump. „Was ist uns unsere Sicherheit wert, Herr Söder?“, lautete die titelgebende Frage der Moderatorin an ihren Hauptgast, den bayerischen Ministerpräsidenten.
Der CSU-Chef verteidigte bei seinem Auftritt die geplanten Militärausgaben der sich anbahnenden Regierungskoalition aus Union und SPD. Zwar könne einem beim Anblick der Zahlen durchaus schwindelig werden, es seien aber auch schwindelerregende Zeiten. Als Argument führte Söder die jüngsten Entwicklungen der Weltpolitik an. „In der Dimension haben wir das alle nicht erwartet“, sagte Söder beispielsweise zum schlagartig veränderten transatlantischen Verhältnis. Die Beziehung Europas zu den USA verglich er mit einem jungen Menschen, der von den Eltern nicht länger unterstützt und vor die Tür gesetzt wurde.
- Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident
- Sabine Adler, Osteuropa-Expertin
- Herfried Münkler, Politikwissenschaftler
„Schwäche wird nicht belohnt, leider nicht nur gegenüber dem Osten, sondern mittlerweile auch gegenüber den USA“, stellte der bayerische Landesvater fest. Um sich auf den Ernstfall vorzubereiten, der schneller eintreten könne, als viele annähmen, gebe es keine andere Möglichkeit, als sich selbst zu stärken. In diesem Zusammenhang sprach sich Söder, der als junger Mann selbst den Militärdienst absolvierte, für das Ende der Aussetzung der Wehrpflicht aus. Zusätzlich seien Drohnen und ein Raketenschutzschirm notwendig. Je überzeugender die eigene Verteidigungsfähigkeit sei, desto unwahrscheinlicher werde ein Angriff, so Söder sinngemäß.
Als Gegengewicht zu den erwartbaren Mehrausgaben für Rüstung und Militär müsse man an anderer Stelle einen Konsolidierungsbeitrag leisten. Der CSU-Chef sprach in diesem Zusammenhang eher unspezifisch über Einsparungen im Staatswesen, während er Steuererhöhungen für unwahrscheinlich hielt. „Ich gehe davon aus, dass es nicht passiert“, sagte Söder und verwies darauf, dass man im Gegenteil etwa eine Senkung der Unternehmenssteuer und die Steuerfreiheit für Überstunden beschlossen habe.
Die ehemalige Russland-Korrespondentin Sabine Adler sprach von einer akuten Kriegsgefahr in den baltischen Staaten Estland und Litauen, die sowohl zur EU als auch zur Nato gehören. Die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland werde sich vor diesem Hintergrund noch lange negativ auswirken, da es in der Bevölkerung kein verankertes Bewusstsein für die Bundeswehr mehr gebe. Vielmehr sei die Truppe bei vielen Bürgern, insbesondere bei jungen Menschen, mit einem „Igitt-Faktor“ belegt. Im Baltikum, aber auch in Polen und Finnland verstehe niemand die Position vieler Deutscher, im Kriegsfall nicht einmal das eigene Land verteidigen zu wollen. Investitionen allein könnten dieses Problem nicht lösen, argumentierte Adler und resümierte: „Geld allein verteidigt noch kein Land.“
Politologe rechnet mit Attacken auf Estland
Wenn Putin seinem eigenen Drehbuch folgt, ist damit zu rechnen, dass er wegen der starken russischen Minderheiten in dem Land zuerst Estland angreifen wird, erläuterte der Politologe Herfried Münkler. Dem Wissenschaftler zufolge sei anfangs eine sogenannte hybride, verdeckte Kriegsführung wahrscheinlich, die auf Desinformation und Destabilisierung setzt und sich zu einem großen Krieg ausweiten könne. Ansätze davon seien schon länger in Rumänien und Bulgarien zu beobachten. Angesichts der imperialen Ambitionen weiterer Akteure, darunter der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, sei Trumps Entgegenkommen gegenüber Putin für Europa brandgefährlich, führte Münkler weiter aus.
Auf Amerikas Schutz könne man sich schon jetzt nicht mehr verlassen. Das Infragestellen des Nato-Bündnisses vonseiten der USA fungiere als Einladung, die gemeinsame Verteidigungsbereitschaft auf die Probe zu stellen, erklärte der Politikwissenschaftler. Größter Verlierer dieser Entwicklung seien ausgerechnet die Deutschen, die sich zu lange allein auf das transatlantische Bündnis festgelegt hätten.
Ein gewisser Schutz durch atomare Abschreckung könnte nun stattdessen aus der direkten europäischen Nachbarschaft kommen. Der französische Präsident Emanuel Macron hat jüngst den Vorschlag gemacht, Deutschland und weitere europäische Partner unter den eigenen atomaren Schutzschirm zu nehmen.
Söder zeigte sich zuversichtlich, dass der designierte Kanzler, CDU-Chef Friedrich Merz, das Angebot prüfen und annehmen werde. Auch darüber hinaus werde er stärker mit anderen europäischen Regierungschefs kooperieren als Noch-Kanzler Olaf Scholz. Söder, der dafür bekannt ist, nicht nur gegen die Grünen, sondern auch gegen Unionskollegen kräftig auszuteilen, hatte während des Talks auch sonst nur Positives über Merz zu sagen.
Den beiden Äußerungen seines unionsinternen Rivalen Daniel Günther, dass er, also Söder, gegenüber den Grünen Zurückhaltung üben solle und Friedrich Merz ein großer Kanzler werde, stimmte der bayerische Ministerpräsident sogar explizit zu – freilich nur, um sich umgehend beim schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten für die Zurechtweisung zu revanchieren. „Mit Daniel Günther ist es wie mit einer Uhr, die stillsteht. Die zeigt auch zweimal am Tag die richtige Zeit, und da hat er etwas Richtiges gesagt“, spöttelte Söder in gewohnter Manier.