Die Flitterwochen der schwarz-roten Koalition sind vorbei, nun geht es ans Eingemachte: Der Streit um die Stromsteuer und fehlende Milliarden ist der erste große Test der Regierung. Besteht sie ihn?
Es dauert nur wenige Minuten, da ist Friedrich Merz beim Mea Culpa angekommen. Der Bundeskanzler sitzt am Dienstagabend bei „Maischberger“ im Talkshowsessel, und die Moderatorin geht gleich dahin, wo es gerade wehtut in seiner schwarz-roten Koalition: zur Stromsteuer. „Das nehme ich auch selbst auf meine Kappe“, sagt Merz. „Da hätten wir vielleicht etwas besser mit unseren eigenen Fraktionen vorher sprechen sollen.“
Der Bundeskanzler und sein Finanzminister Lars Klingbeil von der SPD waren in den vergangenen Tagen massiv unter Druck geraten. In seltener Einigkeit hatten Arbeitgeber und Gewerkschaften kritisiert, dass Verbraucher und kleine Betriebe erst mal nicht von der Stromsteuer befreit werden sollen. Anders als von Schwarz-Rot mehrfach versprochen.
Das werde man sich am Mittwoch im Koalitionsausschuss „mit gutem Willen“ noch mal anschauen, sagt Merz nun bei „Maischberger“. Wobei sein Mea Culpa gar nicht dem „Wirtschaft first“-Plan bei der Stromsteuer an sich gilt. Immerhin gehe es darum, Jobs zu sichern, sagt Merz. Wofür Merz Verantwortung übernimmt, ist, dass der Plan selbst aus den eigenen Reihen schnell kritisiert wurde. Mancher erfuhr offenbar aus den Medien davon, dass ein wichtiges Versprechen kassiert worden war.
In der SPD leiden manche seitdem an Flashbacks aus Ampelzeiten, wo die größten Kritiker der Ampelpolitik regelmäßig aus der Ampel selbst kamen. So weit geht Merz‘ Mea Culpa natürlich nicht. „Aber, Frau Maischberger“, sagt er irgendwann, „das sind normale Vorgänge in einer Koalition, die sich jetzt zurechtfinden, zurechtrütteln muss.“ Es sei doch viel erreicht worden. „Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt über Krise zu reden.“
Wie viel sich zurechtrüttelt und wie viel Krise es schon ist, wird sich auch an diesem Mittwochabend zeigen. Dann kommt der Koalitionsausschuss zusammen, das Gremium, das Schwarz-Rot nicht mehr als Krisengremium verstehen wollte, soll es nun irgendwie doch richten. Nicht nur beim Strom, sondern auch beim Klima: dem Koalitionsklima.
In der SPD wächst seit Tagen der Frust über den Koalitionspartner. Aus SPD-Kreisen ist zu vernehmen, dass man im Koalitionsausschuss – neben der eigentlichen Frage der Stromsteuer – auch das Verhalten der Union ansprechen werde. „Wir erwarten, dass die Führung der Union sicherstellt, dass die Störfeuer in den eigenen Reihen aufhören“, heißt es.
Auch im SPD-geführten Finanzministerium zeigte man sich verärgert. „Es geht nicht, dass die SPD die Zielscheibe ist für Beschlüsse, die zwischen Kanzleramt, Finanz- und Wirtschaftsministerium gemeinsam beschlossen worden sind“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Öffentlich halten die Genossen den Ball jedoch flach und verzichten auf Gegenangriffe. Der Grund: Die SPD und vor allem ihre Spitzenvertreter sind noch traumatisiert von der Ampelzeit, als Verabredungen in der Regierung oft nicht lange hielten oder schon bald nach ihrer Verkündung von einem der Koalitionspartner öffentlich zerpflückt wurden. Vor allem die FDP verhielt sich in der Spätphase der Ampel wie eine Opposition in der Regierung – zum Schaden der gesamten Koalition.
Die SPD hat daraus schmerzhafte Lehren gezogen und will öffentlichen Streit über bereits getroffene Beschlüsse daher unbedingt vermeiden. Der SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warnte in der ARD nun ganz offen vor einer „Eskalationsspirale“ und einer Rückkehr in einen „Ampel-Modus“. Auch der rheinland-pfälzische Regierungschef Alexander Schweitzer verschonte am Mittwochmorgen im „Deutschlandfunk“ die Union weitgehend mit Kritik und rief zu einem konstruktiven Miteinander auf.