News folgen

Über 30 Jahre lang hat er die deutschsprachige Rapszene geprägt. Mit seinem Album „Letzte Worte“ verabschiedet sich Moses Pelham. Warum er geht, erklärt der Frankfurter Rapper bei einem Treffen in Berlin.

Ein riesiges weißes Laken hängt von der Decke und versperrt den Blick auf die Bühne. Der Saal ist still, kurz bevor sein Schatten hinter dem Tuch erscheint. Breite Statur, Bart, Kappe und Mikrofon. Seine tiefe Stimme mit Frankfurter Dialekt setzt an – zum ersten Song der letzten Show im Huxley’s in Berlin. Das Laken fällt. Applaus.

Moses Pelham tritt im Dezember 2024 viele letzte Male auf die Bühnen Deutschlands und verabschiedet sich nach 31 Jahren Karriere von seinen Fans. Neunmal hintereinander ist die „Batschkapp“ in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main ausverkauft. Neunmal hintereinander rappt er dort seine letzten Worte: „Eins noch: Vergiss nicht, wie sehr wir dich lieben.“

Einige Wochen nach der Abschiedstour trifft sich Moses Pelham im 7. Stock eines Clubhauses in Berlin mit t-online. Er erzählt, wie er zum Deutschrap und sich selbst dabei gefunden hat, wie die Böhsen Onkelz ihn geprägt haben und warum er Xavier Naidoo noch einmal benötigte. Es ist ein Gespräch über den „Anfang vom Ende“ über einen „Abschied in Würde“, wie Pelham es selbst formuliert.

Moses Pelham, geboren 1971 in Frankfurt am Main, ist Rapper, Songwriter und Musikproduzent. 1993 gründete er gemeinsam mit Thomas Hofman das „Rödelheim Hartreim Projekt“, 1996 das Label „3p“. Er arbeitete u.a. mit Sabrina Setlur, Xavier Naidoo, Cassandra Steen und den Böhsen Onkelz zusammen. Seine Attacke auf Stefan Raab und verschiedene Rechtsstreitigkeiten mit Naidoo und der Band Kraftwerk lösten Kontroversen aus. Am 24. Januar 2025 erscheint sein Abschiedsalbum „Letzte Worte“.

Pelham grüßt per Handschlag und setzt sich an einen weißen Tisch aus Marmor. Vor ihm auf dem Tisch: eine große Schachtel blaue Gauloises-Zigaretten, ein Päckchen Taschentücher und ein Schälchen mit Bonbons.

Er will weder großspurig noch weinerlich klingen, bei dem Versuch zu beantworten, warum seine Zeit als Rapper endet: „Es ist verrückt, dass ich jetzt mit 53 hier sitze und über dieselbe Sache rede, in die ich mich als Zwölfjähriger verliebt habe.“

Bei seinem letzten Album gehe es ihm nicht darum, was er künftigen Generationen hinterlässt. „Ich richte mich damit nicht an andere Rapper, sondern an diejenigen, die mich 31 Jahre lang begleitet haben.“

Seine Musik versteht Pelham als etwas, womit er sich die Welt und auch sich selbst erklären kann. Bei der Arbeit an seinem letzten Album sei ihm klar geworden: „Der Tod sieht aus der Nähe anders aus, irgendwie bedrohlich.“ Er beugt sich nach vorn über den Marmortisch, stützt sich mit seinen Unterarmen darauf ab. „Und das Album ist eine Form des Todes, ein Abbild der Endlichkeit aller Dinge. Ich bringe es so zu Ende, wie ich es mir vorstelle.“

Moses Pelham: „Wenn er singt, klingt es für mich nach zu Hause.“ (Quelle: Katja Kuhl)

Moses Pelham bringt seine Arbeit zu Ende, wie seine Fans ihn kennen – er arbeitet erneut gemeinsam mit Künstlern, die bereits in der Vergangenheit Kontroversen auslösten. Das Album beginnt mit einer Stimme, die aus der deutschen Musiklandschaft verbannt worden war, angeklagt wegen Volksverhetzung. „Ich brauchte Xavier. Er ist doch mein Bruder. Wenn er singt, klingt es für mich nach zu Hause. Ich konnte dieses Lied nicht ohne ihn machen“, erklärt Pelham seine Entscheidung für den Song mit Xavier Naidoo.

Auch seine Lieblingsband, die Böhsen Onkelz, ist in seinem Album präsent. Er zitiert nicht nur aus ihren Texten, er produziert auch einen neuen Song mit ihnen. Die Vorwürfe, dass die Band rechte Fans anziehen könne, winkt er ab. „Ohne die Onkelz würde ich nicht auf Deutsch rappen.“ Und trotzdem verlassen einige Fans das Konzert bei seinem letzten Auftritt in Berlin, als Pelham „Für die Ewigkeit“ spielt, ein Lied mit Passagen eines Onkelz-Songs.

1990 sei ihm klar geworden, dass Rap auf Englisch in Deutschland „eine richtige Scheiß-Idee, ein Perpetuum mobile für Missverständnisse“ gewesen sei. „Ich beschränke mich damit in der Möglichkeit, das Herz meines Nächsten zu erreichen, weil er die Sprache nicht spricht.“ Alles, was es damals aber an deutschsprachiger Musik gegeben habe, beschreibt Pelham als „Kindergeburtstag, Faschingstexte oder Schlager“.

„Im Land der Dichter und Denker hatten wir uns abgewöhnt, ernsthafte Gefühle zu formulieren.“ Pelham hält inne. „Ich wollte aber, dass mein Gefühl formuliert wird, zusammen weinen oder aus der Musik Hoffnung ziehen.“ Es wirkt, als würde er einen großen Kloß im Hals herunterschlucken. Keinen Kloß der Reue, sondern einen der Dankbarkeit.

Aktie.
Die mobile Version verlassen