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Die USA und Russland führen erstmals hochrangige Gespräche über ein Ende des Ukraine-Krieges – doch Kiew und Brüssel werden nicht mal eingeladen. Europa steht vor einem Desaster, das es selbst zu verantworten hat.

Wer noch einen visuellen Beweis brauchte, um sich die Ohnmacht Europas vor Augen zu führen, musste am Dienstag nur nach Riad schauen: In der saudischen Hauptstadt trafen erstmals seit der russischen Ukraine-Invasion 2022 russische und US-Spitzenvertreter aufeinander, um über das Schicksal der Ukraine zu entscheiden.

Am Tisch: drei Amerikaner, zwei Russen und die saudischen Gastgeber. Nicht im Bild, weil sie gar nicht eingeladen waren: Ukrainer und Europäer.

Nach dem rund vierstündigen Treffen mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow: „Wir haben uns gegenseitig zugehört und uns verstanden.“ Der Satz spricht Bände.

Das Treffen in Riad symbolisiert eine historische Zäsur, eine Art zweite Zeitenwende, die mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump begann und die eine neue Weltordnung ankündigt, in der Europa zerrieben werden könnte: die Wiedergeburt der Großmachtpolitik im Stil des 20. Jahrhunderts. Als die großen Staaten das Schicksal der kleinen verhandelten und die Welt in Einflusszonen aufspalteten.

Treffen in Riad: US-Außenminister Marco Rubio und Sergej Lawrow. (Quelle: Evelyn Hockstein)

Der neue Sound der Weltpolitik lautet: Nur wer glaubhaft Stärke demonstriert, darf mit den wirklich Mächtigen sprechen. Für Europa sind das bittere Nachrichten. Denn das, was die Europäer gerade vor allem unter Beweis stellen, ist ihre eigene Bedeutungslosigkeit.

Das zeigte sich einmal mehr auf dem Ukraine-Gipfel in Paris am Montag, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eilig anberaumt hatte. Zuvor hatte die Regierung Trumps die gemeinsame Ukraine-Linie des Westens in atemberaubender Geschwindigkeit und durch immer neue Ankündigungen zertrümmert:

Der Nato-Beitritt der Ukraine, der Status der russisch besetzten Gebiete, US-Sicherheitsgarantien für Kiew, selbst der Verbleib der US-Truppen in Europa – Trump stellte alles infrage, was einem schnellen Deal mit Putin im Weg stehen könnte. Der selbst ernannte „Dealmaker“ Trump und seine Leute machten Russland gegenüber Zugeständnisse, ohne dass Putin irgendetwas dafür tun musste.

Europa wollte dieses Mal schnell sein und mit dem Pariser Gipfel ein Signal in die Welt senden. Doch es scheiterte mal wieder an sich selbst.

Zwar ist nicht im Detail bekannt, was die europäischen Regierungschefs besprachen und ob sie im Hintergrund vielleicht doch einen größeren Wurf vorbereiten. Doch selbst, wenn es so wäre: Das alles geht viel zu langsam. Die fein austarierten Prozesse der europäischen Konsensfindung in allen Ehren, aber vor den Augen der Weltöffentlichkeit zerbröselt gerade die Ordnung, auf die man in Brüssel so große Stücke hält.

Kremlchef Wladimir Putin (l.) und US-Präsident Donald Trump (r., Archivfoto): Treffen sich die beiden bald persönlich, um über die Ukraine zu entscheiden? (Quelle: Evan Vucci/AP/dpa/dpa-bilder)

Doch was ist die Antwort der Europäer darauf? Sie hätten auf dem Pariser Gipfel ein kraftvolles Signal nach Washington, Kiew und Moskau senden können: mit konkreten Beschlüssen oder wenigstens mit einer schlagkräftigen Botschaft. Stattdessen stritten Briten, Franzosen, Deutsche, Polen, Italiener, Spanier und Dänen über eine internationale Friedenstruppe, die die West- und Zentralukraine nach einer Waffenruhe sichern könnte. Die einen wollen, die anderen nicht. Am Ende trennte man sich im Dissens.

In Washington dürfte man sich bestätigt fühlen: Warum auf die Europäer warten, wenn sie sich mal wieder selbst ein Bein stellen.

Getoppt wurde dieses unverblümte Zurschaustellen der eigenen Ohnmacht durch eine Kommunikation, bei der man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte.

So nannte ausgerechnet der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), als Vertreter des mächtigsten EU-Landes, die Diskussion über eine Friedenstruppe „völlig verfrüht“ und „höchst unangemessen“. Scholz sagte gar, er sei „ein wenig irritiert“, es handele sich um eine „unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema“.

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