Attacke in Park
Trauer in Aschaffenburg und Vorwürfe an Behörden
Aktualisiert am 23.01.2025 – 14:53 UhrLesedauer: 4 Min.
Nach der Gewalttat in Aschaffenburg mit zwei Toten ist der Druck groß, die Tat aufzuklären. Der Verdächtige wurde bisher nicht befragt. Doch die politische Dimension des Falls wird langsam deutlich.
Unzählige Kerzen, Blumen und Kuscheltiere liegen in einem Aschaffenburger Park. Immer wieder bleiben Menschen in Tatortnähe stehen, halten inne. Einen Tag nach der Gewalttat mit zwei Toten und drei Schwerverletzten liegt ein dunkler Schatten über der Stadt am Untermain. Warum attackierte der Täter unschuldige Kinder? War er im Wahn? Stach er kontrolliert zu? Was trieb ihn an?
Nach der Bluttat müssen sich die zuständigen Behörden viele Fragen gefallen lassen. Warum lief der Verdächtige, ein psychisch vorbelasteter Afghane, der nachweislich schon mehrfach straffällig war, frei herum? Warum war er trotz Ausreisepflicht noch in Deutschland? Spielten Drogen oder Alkohol eine Rolle?
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drückte Empörung aus: „Es reicht. Es reicht. Es reicht. Wie viel eigentlich noch? Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Was kommt vielleicht als Nächstes? Das sind alles keine Zufälle, sondern die Folge einer Kette einer falschen, jahrelangen Migrationspolitik“, sagte er in München.
24 Stunden nach der Tat sagt er einen harten Kursschwenk in der Migrationspolitik nach der angestrebten Regierungsübernahme im Bund voraus. Faktisch werde es „eine Grenzschließung für illegale Migration“ geben. Darüber und über weitere Schritte habe er sich mit Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) verständigt.
Der mutmaßliche Gewalttäter hatte nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine gerichtlich bestellte Betreuerin. Grund seien die psychischen Probleme des Afghanen gewesen, der mehrmals in ein Bezirkskrankenhaus eingewiesen worden sei und auch Medikamente bekommen habe.
Es müsse nun überprüft werden, nach welchen Kriterien solche Menschen wieder aus einer Klinik lassen werden, „weil wir sehen, wie gefährlich die Situation sein kann“. Bei Ausländern plädierte der Minister für die Möglichkeit, sie direkt aus der Unterbringung ins Ausland abschieben zu können. Dies funktioniere aber derzeit beispielsweise mit Afghanistan nicht.
Der mutmaßliche Angreifer hatte Herrmann zufolge selbst Anfang Dezember 2024 den Behörden schriftlich angekündigt, ausreisen zu wollen. Zuvor habe der 28-Jährige aber unter anderem wegen einer verstrichenen Frist nicht abgeschoben werden können.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe den Asylantrag des Mannes zwar am 19. Juni 2023 abgelehnt und nach den Regeln des Dublin-Verfahrens eine Abschiebung nach Bulgarien angeordnet, sagt Herrmann. Den Afghanen selbst habe die Behörde wohl auch darüber informiert. Die bayerischen Ausländerbehörden habe das Bamf aber „aufgrund welcher Fehler und Probleme auch immer“ erst am 26. Juli, also mehr als einen Monat später, in Kenntnis gesetzt – wenige Tage vor Ablauf der Frist für die Abschiebung.
Es sei „offenkundig“, dass eine bayerische Behörde „nicht innerhalb von sechs Tagen“ eine derartige Rückführung organisieren könne – „noch dazu, wenn das völlig unvorbereitet entsprechend kommt“, sagt Herrmann. Das Bamf äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Dass der Mann die Ausreise-Ankündigung später nicht in die Tat umsetzte, lag laut Herrmann wohl auch daran, dass er die dafür benötigten Papiere vom afghanischen Generalkonsulat bisher nicht erhalten hatte – und damit nicht ausreisen konnte.
Die Polizei versucht derweil, den genauen Ablauf der Messerattacke zu rekonstruieren. Der Verdächtige selbst ist bis Donnerstagmittag nicht offiziell vernommen worden. „Es ist davon auszugehen, dass zur Vernehmung des Beschuldigten ein Dolmetscher hinzugezogen wird“, teilt die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg mit.
Am Nachmittag soll der Mann, der Ende 2022 nach Deutschland kam, einer Ermittlungsrichterin am Amtsgericht vorgeführt werden. Diese entscheidet darüber, ob er in Untersuchungshaft kommt oder einstweilig in einer Psychiatrie untergebracht wird – dies könnte erfolgen, wenn von einer Schuldunfähigkeit des Mannes zur Tatzeit ausgegangen wird. Die Vorwürfe gegen den Mann lauten Mord und gefährliche Körperverletzung.
Der Afghane ist den Behörden bereits in der Vergangenheit wegen Straftaten aufgefallen, „unmittelbar in den jeweiligen Asylunterkünften, wo er sich aufgehalten hat“, wie Herrmann sagt. In drei Fällen sei es zu Tätlichkeiten gegenüber anderen Menschen gekommen. Dies sei dann auch immer Anlass für eine weitere psychiatrische Behandlung gewesen.