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Viele Länder setzen wieder stärker auf fossile Energien, nicht nur die USA. Dabei sollte doch Wasserstoff helfen, die Klimaziele zu erreichen. Wasserstoff-Aktien wie Nucera weckten Hoffnungen. Inzwischen macht sich Ernüchterung breit.

„Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, schrieb der französische Politiker und Schriftsteller Victor Hugo im 19. Jahrhundert. Aber was, wenn eine Idee ihrer Zeit, beziehungsweise den Rahmenbedingungen voraus ist? So geschehen bei Wasserstoff. Und den Unternehmen, die an seiner Herstellung beteiligt sind, wie Nucera.

Nucera ist eine Tochter des Stahlkonzerns Thyssenkrupp und baut Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff. Im Sommer 2023 ging das Unternehmen an die Börse. Die Erwartungen waren hoch: Wasserstoff galt als Zukunftsrohstoff und Nucera als gut aufgestellt, um Nutznießer des Trends vor allem zu grünem Wasserstoff zu sein.

Wasserstoff ist ein Gas, das den Klimaschutz voranbringen kann, weil es eine Alternative zu Öl und Gas, also zu fossilen Energieträgern, ist. Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien erzeugt und könnte in Industrie und Verkehr eine Schlüsselrolle spielen. Denn bei seinem Einsatz wird kein klimaschädliches CO2 freigesetzt. Zudem lässt er sich gut transportieren.

An der Börse kam die Idee gut an: Die Aktie war zu 20 Euro ausgegeben worden und stieg zügig an. Was Nucera ausmachte: über 60 Jahre Erfahrung in der Technologie, Wachstum und Gewinne. Damit war ein guter Teil der Konkurrenz deklassiert: Denn Verluste und Wasserstoff-Firmen scheinen leider oft zusammenzugehören. Siehe das schwedische Unternehmen Nel.

Bei Nucera kann man sagen: Thema und Timing für den Börsengang passten. Denn spätestens seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine war Energiesicherheit ein ernsthaftes Thema für Unternehmen wie Verbraucher. Und Wasserstoff war plötzlich ein enormer Hoffnungsträger in der Debatte um ausbleibendes, fossiles Erdgas, Flüssiggaslieferungen aus Norwegen und den USA.

Doch auch bei Nucera kam schon bald der Realitätscheck: Die Aktie hat seit dem Börsengang Mitte 2023 mehr als 60 Prozent an Wert verloren, allein 20 Prozent in diesem noch jungen Jahr. Allerdings läuft es bei anderen Wasserstoff-Aktien wie Nel oder Plug Power – zumindest derzeit – ähnlich schlecht an der Börse.

Dabei hat Nucera im vergangenen Geschäftsjahr rund 40 Prozent mehr Wasserstoff-Anlagen gebaut als im Jahr davor. Das Unternehmen liefert zum Beispiel für die Wasserstoff-Megacity Neom in Saudi-Arabien eine Anlage. Der saudische Staatsfonds ist denn auch an Nucera beteiligt. Der Umsatz von Nucera ist im vergangenen Geschäftsjahr gestiegen – vor allem durch genau das Geschäftsfeld mit den Anlagen, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff wandeln.

Und dennoch: Operativ steht ein Minus von 14 Millionen Euro in der Bilanz des Jahres 2023/24, das im September zu Ende gegangen ist. Ein Jahr zuvor hatte Nucera operativ noch 25 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet.

(Quelle: Rüdiger Jürgensen)

Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.

Aber wie kann das sein: Zukunftstechnologie, ein Wachstumsmarkt, aber Verluste? Das kommt davon, wenn Erwartung und Realität aufeinandertreffen.

Das Problem: Um Wasserstoff als Energiequelle in großem Stil nutzen zu können, muss er erst einmal hergestellt werden, denn die natürlichen Vorkommen reichen bei Weitem nicht aus. Klimafreundlich ist das nur, wenn Wasserstoff aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, was aber bislang kaum der Fall ist. Denn das ist aufwendig und sehr teuer.

Doch gerade die Energiekosten machen der Industrie zu schaffen, und man schaut auf den Preis. Und so verpflichten sich Industrieunternehmen aktuell nicht zur Abnahme großer planbarer Mengen von grünem Wasserstoff, weil schlicht nicht kalkulierbar ist, zu welchem Preis große Mengen davon hergestellt werden können. Das gilt nicht nur für Deutschland.

Die Preisentwicklung steht und fällt mit der Technologie: Würde grüner Wasserstoff mit der sogenannten Wasserelektrolyse günstiger hergestellt werden als derzeit, würde der Preis für alle sinken. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Technologie ist zu teuer, um flächendeckend eingesetzt zu werden. Die mangelnde Nachfrage verhindert, dass sich die Technologie entwickelt und groß wird. Und der Preis für grünen Wasserstoff bleibt hoch.

Derzeit sind mehr als acht Euro pro Kilo fällig, deutlich mehr als einst erwartet. Zum Vergleich: Sogenannter grauer Wasserstoff, bei dem CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird, kostet rund drei Euro.

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