Versorgungswerk in Schieflage
Tausende Zahnärzte bangen um ihre Rente
Aktualisiert am 10.12.2025 – 18:10 UhrLesedauer: 2 Min.
Das Versorgungswerk der Berliner Zahnärztekammer hat fast die Hälfte seines Vermögens verloren. Nun wächst unter den Mitgliedern die Sorge – und der Druck auf die Politik.
Das Versorgungswerk der Berliner Zahnärztekammer (VZB) hat nach aktuellen Schätzungen rund 1,1 Milliarden Euro verloren – fast die Hälfte seines ursprünglichen Anlagevermögens. Das teilte der neue Vorsitzende des Verwaltungsausschusses, Thomas Schieritz, dem Nachrichtenportal „rbb24“ mit. Das VZB verwaltet die Altersvorsorge von etwa 10.000 Zahnärztinnen und Zahnärzten in Berlin, Brandenburg und Bremen.
Ein Teil der Mitglieder schlägt nun öffentlich Alarm. In einem Schreiben an Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), das „rbb24“ vorliegt, fordern sie eine staatliche Intervention. Es bestehe die Gefahr eines „Systemkollapses“, heißt es darin. Um den entstandenen Schaden auszugleichen und die Versorgung langfristig zu sichern, solle der Bund ein Sondervermögen bereitstellen. Außerdem fordern die Zahnärzte, die Ministerin solle die Kontrolle über das Versorgungswerk übernehmen.
Auslöser der Krise sind offenbar Fehlinvestitionen, die spätestens seit 2018 getätigt wurden. Damals versuchte das VZB, angesichts sinkender Renditen risikoreichere Strategien zu verfolgen. Investiert wurde unter anderem in Ferienresorts auf Ibiza, Hotelprojekte und Digitalversicherer-Anlagen, die nach Einschätzung des heutigen Verwaltungsausschusses weder den eigenen Richtlinien noch geltendem Recht entsprachen.
„Diese Anlagepraxis war unzulässig, unvernünftig und strukturell fehlgesteuert“, erklärte Schieritz dem rbb. Demnach habe es über Jahre hinweg keine verlässliche Bewertung der Investitionen gegeben. Erst nach einem Führungswechsel im April 2025 und einer umfassenden Bestandsaufnahme wurde das Ausmaß der Verluste sichtbar.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen gegen mehrere ehemalige Ausschussmitglieder eingeleitet, unter anderem wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme und Bestechlichkeit. Der Verteidiger des früheren Vorsitzenden Ingo Rellermeier betont jedoch, es gelte die Unschuldsvermutung. Wer für welche Verluste verantwortlich sei, müsse nun geklärt werden.
Auch die Rolle der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, die für die Fachaufsicht zuständig ist, wirft Fragen auf. Auf Nachfrage verweist die Behörde auf gesetzliche Schweigepflichten und erklärt allgemein, dass das Marktumfeld für Versorgungswerke schwieriger geworden sei. Kritiker sehen hier ein mögliches Versagen der Aufsicht.
Die Initiative „WEU. WirEngagierenUns“ ruft betroffene Mitglieder auf, sich direkt an das Gesundheitsministerium zu wenden. Die Angst vor finanziellen Einbußen im Alter ist groß – insbesondere unter jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten, die nun einen Exodus aus dem System fürchten.
Monatlich zahlen sie Beiträge von bis zu 1.500 Euro in das Versorgungswerk ein. Als Kammerberuf unterliegen sie nicht der gesetzlichen Rentenversicherung. Viele sehen sich deshalb jetzt ohne staatliches Auffangnetz.
Ob der Bund einspringt, ist offen. Die politische Debatte dürfte allerdings Fahrt aufnehmen, zumal unklar ist, ob der Fall ein Einzelfall bleibt oder strukturelle Schwächen auch bei anderen Versorgungswerken offenlegt.
