„Bolzenschusserlaubnis für Schlachtvieh“

Täter von Mannheim soll Neonazi-Kontakte gehabt haben


Aktualisiert am 05.03.2025 – 18:58 UhrLesedauer: 3 Min.

Alexander S. auf einem von ihm bei Facebook veröffentlichten Foto: Im Hintergrund liegt ein Kissen, auf dem der bei Neonazis beliebte Slogan „Odin statt Jesus“ zu lesen sein soll. (Quelle: Screenshot)

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Erst hieß es, die Todesfahrt von Mannheim habe keinen extremistischen Hintergrund. Neue Recherchen stellen diese Aussage infrage.

Hat sich Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu früh festgelegt? Nur Stunden, nachdem am Montag in Mannheim ein Autofahrer mit hoher Geschwindigkeit durch die Innenstadt gerast war und eine 83-jährige Frau und einen 54-jährigen Mann totgefahren hatte, erklärte der Minister, bisherigen Erkenntnissen zufolge habe die Todesfahrt keinen extremistischen Hintergrund.

Die Motivation für die gezielte Jagd auf Fußgänger liege eher in der Person des Täters begründet, sagte Strobl. Der Mannheimer Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler ergänzte, es gebe Hinweise auf eine psychische Erkrankung des 40 Jahre alten Landschaftsgärtners aus Ludwigshafen. Dieser sei wiederholt in ärztlicher Behandlung gewesen, hieß es.

Jetzt sind allerdings auch Anhaltspunkte für eine extremistische Verstrickung des Tatverdächtigen aufgetaucht: Die antifaschistische Rechercheplattform „Exif“ hat Fotos veröffentlicht, die Alexander S. bei einer unter anderem von der NPD organisierten Demonstration am 3. Oktober 2018 in Berlin zeigen sollen.

Auf den Fotos ist der mutmaßliche Täter von Mannheim in einem Meer von Deutschlandfahnen zu sehen. Er selbst trägt auch eine.

Aber S. soll nicht nur ein bloßer Mitläufer gewesen sein. Laut „Exif“ gehörte er wohl auch zu einer Neonazi-Splittergruppe namens „Ring Bund“. Einer der Leiter dieser Gruppe habe S. in einer 2018 angelegten Personenliste mit der Nummer 000415 als mutmaßliches Mitglied geführt. Dazu notierte der Neonazi-Kader laut „Exif“ diverse Fähigkeiten von S.: „gelernter Landschaftsgärtner, Boxer, Bolzenschusserlaubnis für Schlachtvieh, Englisch“.

Video | Überwachungskamera zeigt Todesfahrt von Mannheim

Quelle: t-online

S. soll Zugriff auf die Kommunikationsstruktur der Gruppierung „Ring Bund“ gehabt haben. Die Gruppe wiederum habe laut ihrer Personenliste persönliche Kontakte unter anderem zu dem militanten Neonazi Thorsten Heise und dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gehabt.

Der „Ring Bund“ sei zudem an ein Waffennetzwerk angebunden gewesen, das im Jahr 2020 aufflog. Laut Ermittlungen brachte dieses Netzwerk zwischen 2015 und 2018 Schusswaffen von Kroatien nach Deutschland, darunter Maschinenpistolen und Pumpguns. Einer der Köpfe des „Ring Bund“ wurde deswegen 2022 zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Der „Exif“-Bericht ist bei den Strafverfolgungsbehörden bekannt. Die Hinweise auf rechtsextreme Aktivitäten von S. stünden nun „im Fokus der Ermittlungen“, teilten Staatsanwaltschaft Mannheim und Landeskriminalamt Baden-Württemberg am Mittwoch mit. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen sei aber weiterhin nicht von einem extremistischen oder politischen Motiv für die „konkrete Tat“ auszugehen.

„Gemäß den bislang vorliegenden Erkenntnissen, bestehend aus umfangreichen ärztlichen Unterlagen und einer Vielzahl sich gegenseitig bestätigender Zeugenaussagen, ist davon auszugehen, dass bei dem Tatverdächtigen seit vielen Jahren eine psychische Erkrankung vorliegt“, teilten Staatsanwaltschaft und LKA mit. Der Verdächtige habe sich in der Vergangenheit regelmäßig in ärztlicher beziehungsweise psychiatrischer Behandlung befunden, zuletzt im vergangenen Jahr auch stationär.

Bisher war über S. bekannt, dass er mehrfach vorbestraft war. Staatsanwalt Schüssler berichtete von einer Körperverletzung, für die der mutmaßliche Täter von Mannheim vor mehr als zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüßt habe, außerdem habe es einen Fall von Trunkenheit im Verkehr gegeben. Zuletzt sei der heute 40-Jährige wegen eines Facebook-Kommentars zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich um ein Hassrede-Delikt aus dem Jahr 2018.

Die Linken-Politikerin Katharina König-Preuss forderte unterdessen, die Aktivitäten der Gruppierung „Ring Bund“ losgelöst von der konkreten Motivation des Täters von Mannheim aufzuklären und aufzuarbeiten. Dass Sicherheitsbehörden und politische Verantwortungsträger kurz nach der Todesfahrt eine politische Motivation verneinten, sei unverantwortlich gewesen und bestätige, „dass Bedrohung durch extrem rechte Strukturen systematisch unterschätzt wird“.

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