Ministerpräsident Stephan Weil will mit höherem Mindestlohn das Bürgergeld entlassen. Eine Wirtschaftsweise sieht das kritisch – und damit ist sie nicht allein.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht im Mindestlohn einen Weg aus der Bürgergeld-Misere, dessen Einführung laut Kritikern Menschen von der Arbeit abhalten soll. Deshalb forderte Weil am Donnerstagabend bei „Markus Lanz“ nun, dass der Mindestlohn „mal auf eine einigermaßen angemessene Höhe“ gebracht werden müsse.

„Wie hoch?“, fragte der Moderator. „Wir werden sicherlich auf 14 (Euro) und wahrscheinlich à la longue (auf Dauer, Anm. d. Red.) auch höher gehen müssen“, erwiderte Weil. Doch seine Forderung war für gleich zwei Mitglieder der Runde an diesem Abend nicht ausreichend.

  • Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident Niedersachsens
  • Veronika Grimm, Wirtschaftsweise
  • Bernd Siggelkow, Pastor, „Die Arche“
  • Ursula Weidenfeld, Journalistin

Weil erklärte seinen Vorstoß bei Lanz zunächst einmal so: Durch einen höheren Mindestlohn (aktuell liegt er bei 12,41 Euro) werde der Abstand zu Sozialleistungen größer, also vor allem zum Bürgergeld. Menschen müssten von ihrer Arbeit leben können, unterstrich der Sozialdemokrat.

Widerspruch kam allerdings von der Wirtschaftsweisen Monika Grimm. Sie erinnerte daran: Die Höhe des Mindestlohns wird nicht von der Politik, sondern von der dafür eingesetzten Kommission festgelegt. Der gehe es auch um die Frage, ab wann höhere Löhne dafür sorgen könnten, dass bestimmte Jobs schlicht zu teuer werden.

Bürgergeld für alleinerziehende Mütter – und „Schmarotzer“?

Geld ist nach Ansicht des Pastors Bernd Siggelkow gar nicht das Hauptproblem bei der Misere an Schulen und in Brennpunktvierteln. „Wir geben immer mehr Geld aus, weil wir in unserer Bürokratie einfach feststecken“, kritisierte der Gründer des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“.

Das Geld komme aber bei den Bedürftigen nicht richtig an. Anstatt sinnvoll Arbeit zu belohnen, „subventioniere“ das Bürgergeld alleinerziehende Mütter und „Schmarotzer“ gleichermaßen. Die Folgen sind laut Siggelkow verheerend. Denn Bürgergeld wird laut dem „Arche“-Gründer geradezu vererbt.

„Wir erziehen uns die Sozialhilfeempfänger von morgen“, warnte Siggelkow in der ZDF-Sendung. Er kenne Fünfjährige, „die wissen, was sie mal werden: Bürgergeldbezieher“. Denn positive Vorbilder gebe es für die Kinder oft nicht. Diese Hoffnungslosigkeit ergebe gepaart mit fehlenden moralischen Leitplanken ein gefährliches Gewaltpotenzial.

Experte bei Lanz: „Das ist unterlassene Hilfeleistung“

Siggelkow, dessen Einrichtungen laut dem Gründer täglich 10.000 Kinder und Jugendliche betreuen, sagte bei „Markus Lanz“: „Das ist unterlassene Hilfeleistung. Es ist eine Straftat, was wir unseren Kindern zumuten.“ Er berichtete von einer zweiten Klasse in einem Brennpunktviertel, in der 95 Prozent der Schüler nicht wüssten, wann sie Geburtstag haben.

Der Staat lasse Flüchtlinge ins Land, parke sie aber bei Hilfseinrichtungen und schaffe „Ghettos“, wo Geflüchtete unter sich blieben, so der „Arche“-Gründer. Aber anstatt die jährlich 50.000 Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, besser zu fördern, solle der Fachkräftemangel durch Zuwanderung gelöst werden. Deutschland leiste sich etwas, das zu immer Frustration und Gewalt führe, warnte Siggelkow: „Das verändert unser Land.“

Attacken auf Politiker: Journalistin sieht historisches Muster

Gewalt gegen Politiker und Ehrenamtliche war zu Beginn von „Markus Lanz“ Thema. Weil sprach von organisierten Störungen etwa bei Wahlkampfveranstaltungen. Das Ziel sei es dabei, politisch engagierte Menschen einzuschüchtern. Hier gelte es, Rückgrat und Zivilcourage zu beweisen, sagte Weil: „So was zuzulassen, das wäre tatsächlich eine echte Gefahr für die Demokratie.“

„Da muss man schon ein bisschen stabil stehen“, meinte auch Grimm, als Lanz nach dem Ausmaß von verbalen Angriffen auf sie fragte. Der Militärexperte Carlo Masala hatte am Dienstagabend erzählt, dass er nach Auftritten etwa bei Lanz regelmäßig eine Flut von Hass-Mails erhält, bis hin zu Morddrohungen. „Die Demokratie ist nicht sofort in Gefahr“, widersprach die „Spiegel“-Kolumnistin Ursula Weidenfeld entsprechenden Warnungen nach tätlichen Angriffen auf die SPD-Politiker Sebastian Ecke und Franziska Giffey.

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