Das österreichische Geschwisterpaar Abor & Tynna wird Deutschland beim ESC in Basel vertreten. Der beste Song des Vorentscheids hat gewonnen – der Weg bis zur Entscheidung war aber kaum auszuhalten.
Nach vier langen Shows steht endlich fest, wer für Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) in der Schweiz antritt. Mit 34,9 Prozent der Zuschauerstimmen konnte sich das österreichische Geschwisterduo Abor & Tynna mit seinem Lied „Baller“ gegen die Konkurrenz durchsetzen. Das ist gut, denn die launige Pop-Nummer klingt modern und war mit Abstand das beste Lied, das im Superfinale zur Auswahl stand.
Bis zu einer guten Platzierung in Basel, die wegen des guten Songs und den sympathischen Interpreten nicht unmöglich scheint, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Denn „Baller“ ist nicht perfekt. Die Teile des Liedes, in denen Sängerin Tynna rappt, klangen in den „Chefsache ESC“-Sendungen zu dünn produziert, sie selbst traf teils den Takt nicht und wirkte angesichts des schnellen Tempos bisweilen überfordert. Allerdings vergehen noch mehr als zweieinhalb Monate bis zum ESC-Finale – Tynna hat also genügend Zeit, um ihren Song bis zur Perfektion zu üben.
Das Lied, mit dem sich Deutschland um die vorderen Plätze in Basel bewirbt, ist in diesem Jahr allerdings nicht das größte Problem im Hinblick auf den ESC-Vorentscheid. Denn 2025 ist Stefan Raab entscheidend am Prozess der Künstlerauswahl für den ESC beteiligt. Selten wurde so klar, dass seine Zeit im Fernsehen schon seit Jahren abgelaufen ist.
Denn während der deutsche ESC-Beitrag in diesem Jahr überraschend modern und chancenreich daherkommt, ist der von RTL und dem NDR produzierte Vorentscheid „Chefsache ESC“ das genaue Gegenteil moderner Unterhaltung. Bereits in den Vorrunden und im Halbfinale kam immer wieder das Gefühl auf, die Shows seien zu lang und zu sehr auf Raab zugeschnitten. Das Finale ohne Werbepausen war kaum auszuhalten.
Die Vorrunden und das Halbfinale strahlte noch RTL aus, was zur Folge hatte, dass Werbepausen die Raab-Show immer wieder unterbrachen und die Chance boten, durchzuatmen. Das Finale am Samstag lief in der ARD – ohne Werbeunterbrechungen. Im Umkehrschluss bedeutete das auch, dass die Zuschauer dreieinhalb Stunden Fernsehen wie aus dem vorletzten Jahrzehnt ertragen mussten.
Natürlich ist Barbara Schöneberger eine Legende im deutschen ESC-Kosmos, sie hat ihren Zenit als Moderatorin allerdings überschritten. Zu uninspiriert, zu langweilig führte die 50-Jährige durch den Abend.
Und dann war da noch Stefan Raab, der im Finale durch stumpfen Sexismus und unlustige Sprüche auffiel, etwa als er die Folk-Metal-Band Feuerschwanz, einen der Favoriten des Abends, kritisierte. Ihr Song „Knightclub“ habe im Publikumsvoting keine Chance, denn 60 Prozent der Abstimmenden seien Frauen – „und wollen den balladigen, den gefühligen Song, der ans Herz geht“, so Raab. Der Entertainer vergaß allerdings, dass bei Feuerschwanz drei Frauen als Teil der Band auf der Bühne stehen und Metal nicht nur von Männern gehört wird.
Feuerschwanz waren dann auch Gegenstand einiger Verschwörungstheorien, die vor dem Finale des ESC-Vorentscheids in den sozialen Netzwerken verbreitet wurden. Denn ursprünglich klang es für viele Fans so, als würde die Auswahl des deutschen ESC-Beitrags allein über eine Publikumsabstimmung herbeigeführt. Am Dienstag vor dem Finale verschickte der NDR allerdings eine Pressemitteilung, in der es hieß, dass vier der neun Finalisten von der Jury eliminiert würden, bevor das Publikum über das deutsche ESC-Schicksal abstimmen kann. Mehr dazu lesen Sie hier.