Stefan Raab kehrt zurück und RTL greift dafür tief in die Tasche. Diese Konstellation birgt mehr Risiken als Chancen – und zeigt, wie verzweifelt der Privatsender ist.
Die erste Niederlage musste Stefan Raab schon einstecken. Als er sich im März bei Instagram zurückmeldete, gab er als Ziel aus, jetzt Influencer zu werden und neun Millionen Follower zu erreichen. Doch davon ist Raab meilenweit entfernt. Lediglich 2,6 Millionen Menschen interessieren sich dafür, was der einstige Show-Gigant von ProSieben auf seinem Social-Media-Profil verzapft.
Für den so krampfhaft ehrgeizigen Raab muss das schmerzhaft sein. Er müht sich, er ackert, er zieht alle Register: Doch seine diversen Instagram-Clips, in denen er als Fettsack verkleidet Sketche aufführt, verfangen nicht. Es wirkt, als mache Stefan Raab verzweifelt Werbung für sein Show-Comeback am Samstag, aber niemand interessiert sich für dieses Vorgeplänkel – alle wollen nur wissen, wie der 57-Jährige neun Jahre nach seinem letzten TV-Auftritt aussieht.
RTL könnte also glimpflich davonkommen, schließlich zeigt der Privatsender die Rückkehr live im Fernsehen, am Samstagabend zur Primetime: Regina Halmich gegen Stefan Raab im Ring. Schon jetzt ist klar, dass dieses über alle Kanäle pompös angekündigte TV-Ereignis Millionen Menschen vor die Fernseher locken wird. Doch der Preis ist hoch. Denn es birgt mehr Risiken als Chancen.
Als Stefan Raab das erste Mal gegen die Profiboxerin Halmich in den Ring stieg, breitete sich die Maul- und Klauenseuche aus, regierte eine rot-grüne Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und die „Tagesschau“ sendete einen Beitrag über die Verurteilung des DDR-Politikers Egon Krenz. Es war der 22. März 2001, Regina Halmich brach ihrem Kontrahenten die Nase und 7,64 Millionen Zuschauer sahen das live auf ProSieben.
Sechs Jahre später dann das gleiche Spiel: Wieder gewann Regina Halmich, ProSieben zeigte das Spektakel und durfte dieses Mal sogar über ein TV-Publikum in der Größe von 9,74 Millionen Menschen jubeln.
Nur ist das inzwischen 17 Jahre her. Allein die Idee, wieder einen Showkampf zur besten Sendezeit über einen linearen Ausstrahlungsweg zu zeigen, wirkt so gestrig, wie Nachrichten per Fax zu verschicken. Zu Recht kritisierten Medien und Fans nach der Bekanntgabe des dritten Raab-Halmich-Kampfes, dass sie sich mehr Kreativität für das Comeback einer Show-Legende gewünscht hätten. Vorbei scheint die Zeit, als Stefan Raab das Fernsehen revolutionierte. Als seine Formate reihenweise Quotenerfolge waren und die TV-Branche ihn mit Preisen überhäufte.
Seit Jahren agiert Raab hinter den Kulissen, produziert Shows, zieht im Hintergrund die Strippen. Herausgekommen sind Flops wie „FameMaker“, „Täglich frisch geröstet“ oder ein „RTL EM Studio“, an das sich nur wenige Monate nach der Fußball-Europameisterschaft niemand mehr erinnern kann, weil es dermaßen erfolglos war, dass es noch vor dem Finale des Turniers eingestellt wurde.
Dennoch greift RTL für diesen Entertainer von einst tief in die Tasche. Wie das Branchenblatt „dwdl.de“ berichtet, habe sich der Sender einen Vierjahresvertrag mit Raabs neuer Firma 90 Millionen Euro kosten lassen. Bei der „Bild“ ist die Rede von mehr als 50 Millionen Euro jährlich bei einer Laufzeit von insgesamt fünf Jahren. RTL selbst schweigt dazu – aber die Dimensionen dürften gigantisch sein.
Nur zum Vergleich: Für 90 Millionen Euro könnte Das Erste mehr als 45 neue „Tatort“-Filme produzieren; das würde für anderthalb Jahre Sendematerial reichen – und im Durchschnitt dürften mehr als sieben Millionen Menschen einschalten.
Was auf den ersten Blick wie ein Millionencoup wirkt, könnte also schnell zum Millionengrab werden. RTL hat eine Figur von gestern engagiert, in der Hoffnung, dass diese den Sender in die Zukunft befördert. Wer darin kein Risiko erkennt, verschließt die Augen vor der Realität. Mehr noch: Es zeigt auch den Verzweiflungsgrad des Privatsenders, der schon mit dem Elton-Engagement bewies, dass er wenig eigene Ideen, dafür aber viel Interesse an ehemaligen ProSieben-Inhalten und -Gesichtern hat.