Götterdämmerung in München: Der FC Bayern hat beim Charaktertest gnadenlos versagt

Die Spieler des FC Bayern sind an dem “Charaktertest” in Mainz krachend gescheitert. Das Mia-san-mia-Leitmotiv liegt in Trümmern. Jetzt droht das Undenkbare.

Ein Kommentar von Julian Buhl

Die Spieler und die Verantwortlichen des FC Bayern wussten ganz genau, was auf dem Spiel stand, wie enorm wichtig dieses Auswärtsspiel in Mainz war. Es war nicht weniger als das Schlüsselspiel im Kampf um die deutsche Meisterschaft – und Bayern hat es verloren.

Nachdem Viertelfinalaus im Pokal gegen Freiburg und in der Champions League gegen Manchester City hatte Trainer Thomas Tuchel die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte nicht ohne Grund zur “Charakterprobe” erklärt. Nach der vernichtenden 1:3-Niederlage, die die Bayern trotz Halbzeitführung hinnehmen mussten, bleibt festzuhalten: Die Mannschaft hat gnadenlos versagt und ist an diesem Test krachend gescheitert.

Mit Borussia Dortmund gewann dagegen der große Rivale, dem in der Vergangenheit – und besonders gerne in der bayerischen Landeshauptstadt – die nötige Meister-Mentalität abgesprochen wurde, sein ebenfalls schwierigstes und wichtigstes Spiel der Restsaison mit 4:0 gegen Eintracht Frankfurt. Damit entreißt der BVB den Bayern die Tabellenführung und biegt nun mit einem Punkt Vorsprung auf die Zielgerade im Meisterrennen ein. Dortmund hat es in den verbleibenden fünf Saisonspielen jetzt also selbst in der Hand, den Dauerchampion der vergangenen zehn Jahre zu entthronen.

Ein Zustand, der so gar nicht dem bayerischen Selbstverständnis entspricht, das mit der Niederlage in Mainz zum wiederholten Mal in dieser Saison zutiefst erschüttert wurde. Das Mia-san-mia-Leitmotiv des ansonsten nur so von Selbstbewusstsein strotzenden Klubs liegt in Trümmern. Erstmals seit 2012 droht den Münchnern nun tatsächlich der Worst Case, das eigentlich Undenkbare: eine titellose Saison.

“Wer war hier noch mal die Mannschaft, die Deutscher Meister werden wollte?”, fragte Vorstandsboss Oliver Kahn nach dem Debakel in Mainz, das er und Sportvorstand Hasan Salihamidzic kopfschüttelnd und mit frustrierter, resignierender Körpersprache auf der Tribüne live miterlebt hatte, mit beißender Ironie. “Mit so einer Ausstrahlung wird es ganz schwer, Meister zu werden”, beantwortete Kahn seine Frage selbst und sprach von einer “katastrophalen” zweiten Halbzeit.

“Zum Schluss sind das elf Mann, die auf dem Platz stehen und für die Ziele dieses Klubs sich den Hintern aufreißen müssen. Um das geht es im Fußball und um nichts anderes”, sagte Kahn und sprach der Mannschaft damit die notwendige Mentalität, Einsatzwillen sowie den Charakter ab.

“Wir tun uns wahnsinnig schwer, Spiele zu gewinnen”, musste auch Chefcoach Thomas Tuchel feststellen. Mehr noch. “Wir können uns nicht mehr aufbäumen. Geht nicht. Ich weiß nicht, wieso”, so Tuchel, der ratlos wirkte, weiter. “Es ist einfach zu viel passiert für die Mannschaft, die kann sich nicht mehr auflehnen dagegen, wenn Dinge schieflaufen.” Die Mannschaft wirke, als hätte sie schon 80 Spiele gemacht, so Tuchel, “Sie wirkt ausgelaugt.”

Es waren geradezu alarmierende Worte, die Tuchel da fand – in Bezug auf die verbleibenden fünf Spiele im Kampf um die Meisterschaft sowieso, aber auch mit Blick auf die nächste Saison.

Die Schuld jetzt ausschließlich bei der Mannschaft zu suchen, wäre aus Sicht der Verantwortlichen aber zu einfach und deutlich zu kurz gegriffen. Sportvorstand Salihamidzic ist schließlich hauptverantwortlich für deren ganz offensichtlich unausgewogene Zusammenstellung. Viele seiner Deals, für die er im Sommer noch gefeiert wurden, haben sich mittlerweile zu Flops entpuppt – allen voran sein vermeintlicher Königstransfer Sadio Mané. Der Umbruch der Mannschaft im Sommer wird nun möglicherweise doch größer ausfallen müssen als ursprünglich geplant.

Bayerns Führungsriege wirkte schon während der Partie in Mainz vollends bedient (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON)

Schon seit Mittwochabend und dem Champions-League-Aus gegen City wird bei Bayern momentan alles und jeder hinterfragt – Kahn, Salihamidzic und Präsident Herbert Hainer mit eingeschlossen. Mit der ernüchternden Niederlage in Mainz werden diese Diskussionen sich nun unweigerlich weiter zuspitzen.

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