Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah soll für China spioniert haben. Wie operieren chinesische Geheimdienste in Deutschland? Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom ordnet ein.

Es war fast schon eine Festnahme mit Ansage. Schon lange wurde über die möglichen Verbindungen von Jian G. nach China berichtet, nun gehen die Behörden gegen den Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl Maximilian Krah vor. Mehr dazu lesen Sie hier. Es ist kein Einzelfall: Immer wieder gab es in Deutschland in den vergangenen Monaten Festnahmen von mutmaßlichen Spionen aus China und Russland.

Doch was steckt dahinter? Tobt aktuell in der Bundesrepublik ein Spionagekrieg?

Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom erklärt im Interview, auf welche Informationen es China in Deutschland abgesehen hat und warum ausländische Dienste in AfD-nahen Kreisen rekrutieren.

t-online: Herr Schmidt-Eenboom, die Behörden gehen nun gegen Jian G. vor, den persönlichen Assistenten des AfD-Politikers Maximilian Krah. Hat Sie die Verhaftung überrascht?

Erich Schmidt-Eenboom: Sie hat mich nicht überrascht.

China ist auf dem Weg, führende Weltmacht zu werden, und das wird natürlich durch nachrichtendienstliche Aktivitäten flankiert. Einerseits nutzt die Volksrepublik dafür den Auslandsnachrichtendienst des Ministeriums für Staatssicherheit, andererseits den Militärnachrichtendienst, der insbesondere einen Schwerpunkt auf die Industriespionage setzt. Damit haben die Chinesen auch schon vor 20 Jahren angefangen, erst später kamen dann die politische Spionage und die Rüstungsspionage im Zuge der Modernisierung der eigenen Streitkräfte hinzu.

(Quelle: Eventpress Stauffenberg via www.imago-images.de/imago-images-bilder)

Zur Person

Erich Schmidt-Eenboom ist ein Friedensforscher mit dem Schwerpunkt Nachrichtendienste. Er ist Vorsitzender des Forschungsinstituts für Friedenspolitik und hat zahlreiche Bücher über Spionage, Geheimdienste und Sicherheitspolitik verfasst.

Im Fall Jian G. geht es nun wahrscheinlich um politische Spionage?

Es gab zwei Schwerpunkte: Durch politische Spionage sollten offenbar die Entscheidungsprozesse im außenwirtschaftlichen Bereich in Deutschland und der Europäischen Union ausgespäht werden. Darüber hinaus soll ein zweiter Auftrag gewesen sein, die chinesische Exilgemeinde in der Bundesrepublik auszuspionieren und unter Druck zu setzen.

Welche Exilgemeinde meinen Sie?

Dabei ging es den Chinesen zum Beispiel um den Weltkongress der Uiguren in München, wobei das chinesische Generalkonsulat in der bayerischen Landeshauptstadt als Spionagestützpunkt dient. Außerdem spähen sie Mitglieder der Falun-Gong-Sekte und Chinesen aus Tibet aus, die Anhänger des Dalai Lama.

Wie gehen chinesische Geheimdienste in Deutschland vor? Wie geht China vor?

Wir kennen die Vorgänge aus den USA, wo chinesische Dienste in den „Chinatowns“ der großen Städte immer wieder Agenten rekrutieren. Das geht natürlich in dem Umfang in Deutschland nicht. Aber das bisherige Muster hat gezeigt, dass sie auch in der Bundesrepublik auf Exilchinesen setzen.

In den vergangenen Jahrzehnten sprachen wir hauptsächlich über chinesische Wirtschaftsspionage. Welche Ziele verfolgt China mit der Aufklärung im Rüstungsbereich?

Die chinesischen Streitkräfte befinden sich in einem Prozess der nachhaltigen Modernisierung. Die Militärausgaben werden immer weiter hochgefahren, insbesondere im Marinesektor. Im Zuge dessen versucht China, westliche Technologie an Land zu ziehen – etwa Schiffsmotoren oder Speziallaser, die dafür genutzt werden können, Schrauben oder entsprechende Bauteile von Schiffen zuzuschneiden.

Nun arbeitet Deutschland in wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen auch eng mit China zusammen. Sehen Sie darin ein Dilemma?

Ja, das ist offensichtlich ein Problem. Weil die chinesische Seite immer wieder versucht, akademische Kooperationen für nachrichtendienstliche Aktivitäten auszunutzen. Deutsche Universitäten müssen deshalb bei der Weitergabe von Forschungsergebnissen und bei jeder Kooperation auf jedem Technologiesektor sehr vorsichtig sein.

Vorsicht ist ein gutes Stichwort. In der englischen Presse gab es schon vor einem Jahr Berichte über mögliche Verbindungen zwischen China und Jian G.. Warum greifen die Behörden erst jetzt durch?

Der Verfassungsschutz musste natürlich erst einmal Beweise sammeln, bevor er den Generalbundesanwalt einschalten konnte. Ich gehe davon aus, dass man Jian G. schon sehr lange auf dem Schirm hatte. Doch bis genug Beweise zusammengetragen wurden, die man vor Gericht verwerten kann, dauert es immer eine Weile.

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