Das Sicherheitspaket der Ampel droht im Streit zerrieben zu werden. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese verteidigt das Paket als „notwendige Antwort“ auf den Solinger Terroranschlag – auch gegen Kritik in den eigenen Reihen.
Migration, Rente, Haushalt 2025: Die Ampel steht vor riesigen Aufgaben, doch könnte die nächsten Monate nicht mehr erleben. Die FDP sägt offen am Fundament der Regierung, die Grünen tauschen ihre komplette Spitze aus. Und die SPD? Muss ebenfalls aufpassen, dass ihre Fliehkräfte nicht ausgreifen. Das liegt nicht nur am chronisch unbeliebten Kanzler Olaf Scholz. Auch beim „Sicherheitspaket“ der Ampel formiert sich parteiinterner Widerstand gegen die Pläne der SPD-Führung.
Wackelt das Maßnahmenbündel, das auf das Attentat von Solingen folgte? Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Dirk Wiese, gibt sich zuversichtlich, dass der Zeitplan eingehalten wird. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, der in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert, fordert zudem seine Partei auf, in die Offensive zu gehen: mit einem Industriestrompreis, einem pragmatischen Migrationskurs – und einer Reform der Schuldenbremse.
t-online: Herr Wiese, bei den Grünen warfen diese Woche die Parteichefs das Handtuch, kurz darauf verließ der Vorstand der Grünen Jugend die Partei. Müsste nicht auch bei der SPD etwas passieren?
Dirk Wiese: Die SPD hat in der letzten Großen Koalition sehr unruhige Zeiten erlebt und ich bin froh, dass wir sie überwunden haben. Wir haben Verantwortung für das Land, dazu stehen wir. Respekt für die Entscheidung von Omid Nouripour und Ricarda Lang, aber ich sehe keine Notwendigkeit, den Grünen nachzueifern.
Dirk Wiese ist stellvertretender Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, unter anderem zuständig für Innen- und Rechtspolitik. Wiese ist zudem einer von drei Sprechern des Seeheimer Kreises, dem konservativen Flügel der SPD-Bundestagsfraktion. Im Jahr 1974 als Arbeitsgemeinschaft von SPD-Abgeordneten gegründet, sieht sich der Seeheimer Kreis als „pragmatische“ und „moderne“ Stimme der Sozialdemokratie.
Kann eine personelle Erneuerung nicht heilsam sein?
Ob das bei den Grünen heilsam sein wird, muss sich erst zeigen. Ich war insbesondere von der Härte der Kritik der Grünen Jugend überrascht. Manche Dinge sollte man besser intern klären. Ich bin froh, dass wir in der SPD konstruktiver miteinander diskutieren.
Das sehen nicht alle Genossen so. Auch in der SPD wurde zuletzt die Kritik an Kanzler Olaf Scholz immer lauter, vor allem an seinem spröden Auftreten. Muss sich Olaf Scholz mehr anstrengen?
Bei der Bundestagswahl wird es eine klare Richtungsentscheidung für dieses Land geben: Werden wir mit Olaf Scholz Deutschlands Zukunft gestalten oder mit Friedrich Merz zurück in die Vergangenheit gehen? Die Wähler müssen wissen, was auf dem Spiel steht.
Die Union liegt bei über 30 Prozent in den Umfragen, die SPD bei 16. Wie kann der Kanzler Merz schlagen?
Ich will nicht verhehlen, dass wir auf Merz als Kanzlerkandidaten der Union gehofft haben. Wir haben diese Woche im Bundestag erlebt, wie dünnhäutig Merz ist, wenn man nur das Thema Blackrock anspricht. Merz macht Politik für die oberen ein Prozent und nicht für die breite Mitte der Gesellschaft.
Die Sozialdemokratie hat seit Amtsantritt von Olaf Scholz fast alle Wahlen verloren. Wie soll die SPD aus dem Stimmungstief herauskommen?
Wir müssen einen ordentlichen Zahn zulegen, das ist uns klar. Aber es ist möglich. Olaf Scholz hat zuletzt im Bundestag einen anderen Ton angeschlagen. Wir müssen alle gemeinsam jetzt die Ärmel hochkrempeln, dann schaffen wir das auch.
„Wir“, das heißt auch der Kanzler?
Nach dem islamistischen Attentat von Solingen versprach die Ampel, zügig ein Sicherheitspaket zu beschließen. Bei einer Expertenanhörung hagelte es nun Kritik, auch von Ampelabgeordneten. Wackelt das Paket?
Das Sicherheitspaket ist die notwendige Antwort auf diesen fürchterlichen Terroranschlag: Wir verschärfen das Waffenrecht, geben unserer Polizei mehr Befugnisse und sorgen für die konsequente Durchsetzung des Rechtsstaats. In der Anhörung sind Hinweise gekommen, über die wir jetzt sprechen werden. Es bleibt aber beim Ziel, das Gesetz im Oktober im Bundestag zu verabschieden.
„Wenn Menschen hier ankommen und schwerste Straftaten begehen, müssen sie das Land verlassen.“
SPD-FRaktionsvize Dirk Wiese
Ob das klappt, muss sich zeigen. Denn auch in der SPD formiert sich Widerstand: Ein Brandbrief Tausender SPD-Mitglieder wirft führenden Sozialdemokraten vor, ganze Bevölkerungsgruppen unter Terrorverdacht zu stellen und rechte Narrative zu bedienen. Was antworten Sie ihnen?