Die sozialen Medien können ein Segen für Tourismusgebiete sein, aber auch ein Fluch. Solch einen erlebt zurzeit die größte Tempelanlage der Welt.
Das Spiel „Temple Run“ ist mit mehr als einer Milliarde Downloads weltweit das wohl beliebteste kostenlose Computerspiel. Dabei flieht die Spielfigur in einer Tempelanlage vor sechs dämonischen Affen. Mittlerweile haben einige Nutzer „Temple Run“ (auf Deutsch: das Tempel-Rennen) ins echte Leben geholt. Und da die Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha dem Hintergrund des Computerspiels zum Verwechseln ähnlich sieht, wird hier gefilmt.
„Die kleinen Videos, in denen Menschen durch die symbolträchtige archäologische Stätte von Angkor Wat in Kambodscha rennen und springen, werden in den sozialen Medien millionenfach aufgerufen“, schreibt der britische „Independent“. Neben der Respektlosigkeit gegenüber der religiösen Geschichte des Ortes gehen die jungen TikTok- und Instagram-Filmer bei diesen Läufen teilweise auch recht rabiat vor.
Angkor Wat, 240 Kilometer nordwestlich von Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh gelegen, gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Es ist mit 163 Hektar (das entspricht der Größe von 163 Fußballfeldern) die größte Tempelanlage der Welt und knapp 900 Jahre alt. Die Größe der Tempelstadt macht es Besuchern leicht, eine ruhige Ecke zu finden. Aber eben auch, unbemerkt zu filmen oder sich danebenzubenehmen.
Ein Unesco-Sprecher warnt im „Independent“: „Die Besessenheit, das perfekte Video aufzunehmen und zu posten, lenkt vom authentischen Reiseerlebnis ab. Es verringert die Auseinandersetzung mit der kulturellen und historischen Bedeutung eines Ortes.“
Die Unesco fordert Besucher auf, „sich diesen Stätten mit Respekt und Neugier zu nähern, sich Zeit zu nehmen, um die einzigartige Kultur und das Erbe der Reiseziele wirklich zu erleben, und sich daran zu erinnern, dass ihr Handeln Auswirkungen auf die Erhaltung dieser Stätten hat“.
Eine Aufforderung, die ungehört verhallt? Der Denkmalschützer Simon Warrack von der Universität of Warwick (Großbritannien) geht noch weiter. Er sagte Bloomberg: „Es geht nicht nur um mögliche Schäden an den Bauten durch Menschen, die Dinge umstoßen, sondern auch um Schäden am spirituellen und kulturellen Wert der Tempel.“
Dass Touristen Kulturschätze missachten oder gar beschmutzen, ist überall auf der Welt ein Problem. In diesem Sommer schmierte ein Mann im antiken Pompeji (Italien) ein Graffiti an die Wand eines Hauses, ein weiterer schnitzte seinen Namen in einen Stein des römischen Kolosseums (lesen Sie hier mehr). In Japan wurde zuletzt ein Mann festgenommen, der in einem Schrein Sex mit einer Frau hatte (lesen Sie hier weiter).