Von Bier und Nieten über Panik und Reue

So läuft ein typischer Besuch auf dem Bremer Freimarkt ab


Aktualisiert am 10.10.2024 – 16:50 UhrLesedauer: 4 Min.

Die Fahrgeschäfte auf dem Freimarkt leuchten mit bunten Lichtern: Reizüberflutung ist Programm. (Quelle: Sina Schuldt)

In knapp einer Woche beginnt in Bremen die fünfte Jahreszeit: der Freimarkt. Wenn man ehrlich ist, läuft ein Besuch auf dem Volksfest doch immer gleich ab. Zeit für einen humorvollen Rundgang.

Der Duft von gebrannten Mandeln liegt schon in der Luft: Am 18. Oktober wird der 989. Bremer Freimarkt auf der Bürgerweide eröffnet. Er zählt zu den ältesten Volksfesten Deutschlands. Für Bremer und auch für Touristen führt natürlich kein Weg daran vorbei, doch sie sollten sich warm anziehen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die passende Kleidung ist schon mal das Nonplusultra für einen halbwegs gelungenen Abend. Denn nur selten herrscht perfektes „Freimarktwetter“ (12 Grad, kein Regen), das bis in die Nacht hinein stabil bleibt. Im Zweifel holst du also lieber die dicke Winterjacke mit Kapuze raus, bevor du später jammernd und bibbernd die Stimmung am Bierstand versaust.

Am Eingang zum Freimarkt paart sich kindliche Vorfreude mit völliger Reizüberflutung: Tausend Gerüche liegen in der Luft, überall blinken bunte Lichter, aus den unzähligen Lautsprechern hallt die Musik der Fahrgeschäfte. Die erste quälende Frage, die sich aufdrängt: Was soll gegessen werden? Von Schmalzkuchen über Fischbrötchen bis zu Bratwurst gibt es so viele Möglichkeiten. Also gibst du erst mal 8 Euro für drei Champignons mit Knoblauchsoße aus.

Ah lecker, das tat gut. Jetzt ist es Zeit für ein Bierchen. Während du auf der Suche nach dem ersten Zapfhahn über die Bürgerweide schlenderst, geht dir nur ein Gedanke durch den Kopf: „Boah, ist das voll hier. Nervig, dieses Geschubse und Gedränge. Wieso kommen denn auch Zehntausende andere Menschen auf die Idee, an einem Freitagabend den Freimarkt zu besuchen?! Frechheit.“

Menschenmenge auf dem Bremer Freimarkt: Hier kann man durchaus Freunde und Nerven verlieren. (Quelle: Bastian)

Losbude: Euphorie und Enttäuschung liegen so dicht beieinander

Das erste Bier schmeckt – ein Haake Beck vom Fass hat noch keiner Seele was zuleide getan. Während sich das Bierchen leert und die Blicke über den Markt schweifen, macht sich schon wieder etwas Hunger breit. Jetzt ist die perfekte Gelegenheit dafür, um fettig-ranzige Schmalzkuchen zu verdrücken und den gesamten Puderzucker auf der Jacke zu verteilen. Ein Festschmaus!

Mit Bierchen Nummer 2 setzt der Größenwahn ein und du hast plötzlich das untrügliche Gefühl, an der Losbude einen dicken Fang machen zu können. „Komm, was soll’s, 5 Euro für 20 Lose, da wird der Hauptgewinn schon dabei sein!“, denkst du dir.

Doch mit jeder aufgerissenen Niete, die am Boden der Tatsachen landet, kommt die schmerzliche Einsicht, dass der große Gewinn nur eine Illusion ist. Am Ende gibt es als Trostpreis ein Radiergummi, für das quasi 5 Euro fällig waren. Aber hey, eigentlich ist das viel besser, als einen 2-Meter-Plüschminion durch die Gegend zu schleppen.

Um die Stimmung wieder etwas aufzuhellen, kann jetzt eigentlich nur Karussellfahren helfen. Doch du kannst dich mit deiner Freundesgruppe nicht einigen: Der eine will in die Wilde Maus, der andere in die Geisterbahn. Und der Free-Fall-Tower sei ja auch ganz lustig. Als Kompromiss geht es schließlich ins Riesenrad, wo gefühlte 3 Stunden gewartet werden muss. In der Gondel treffen sich dann schweigende Blicke voller Reue – wohl wissend, dass diese Fahrt teuer, langsam und langweilig ist. Die Wilde Maus hätte dich und deine Freunde deutlich besser in Fahrt gebracht. Oben in 60 Meter Höhe gibt es immerhin die Chance, ein verschwommenes Bild vom bunten Freimarkt zu machen.

Nach der Zeitverschwendung in schwindelerregender Höhe sagt der Appetit mal wieder Hallo. Die Gelüste nach einem 12-Euro-Matjesbrötchen, das schon seit 12 Stunden in der Auslage liegt, werden wach. Lecker! Nun ist es auch mal wieder an der Zeit, sich darüber zu beschweren, wie voll es eigentlich ist. „Einfach nur ätzend, man kann keinen Fuß vor den anderen setzen!“ Und dann bricht in der Menge plötzlich Panik aus: Sind Portemonnaie und Handy noch da? Hat ein Taschendieb zugeschlagen, während du zu tief ins Bierglas geguckt hast? Puh, alles noch da. Nächstes Mal lieber einen Brustbeutel mitnehmen.

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