Löst Thomas Gottschalk mit seinen Aussagen Jubel bei den Rechtspopulisten der AfD aus? In seinem neuen Buch schreibt er auch über die Partei. t-online veröffentlicht exklusiv einen Auszug.

In den vergangenen Tagen hat Thomas Gottschalk mit seinen Äußerungen rund um die Veröffentlichung seines Buchs „Ungefiltert“ für viele Schlagzeilen gesorgt. Seine Ansichten über Themen wie #MeToo, „dienstliche Berührungen“ von Frauen oder die sensible Verwendung von Sprache werden heftig diskutiert. Ein Vorwurf, der dem 74 Jahre alten Entertainer oft gemacht wird: Mit seinen Aussagen spiele er Rechtspopulisten in die Karten.

Die AfD, so die These, profitiere von Gottschalks Verlautbarungen und juble darüber. Auf Nachfrage, ob ihn das störe, zeigte er sich in den vergangenen Tagen unbeeindruckt. Er nehme das „billigend in Kauf“. Doch welche Meinung hat Gottschalk zur AfD? t-online veröffentlicht vorab einen Auszug aus dem Buch „Ungefiltert“, das Aufschluss über diese Frage gibt.

„[…] Das ist wie mit Schwarz oder Weiß: Mit Entweder-Oder bekommt man sein Leben einfach nicht hin, und man lernt erst mit der Zeit, dass sich ein Großteil dieses Lebens in der „Grau-Zone“ dazwischen abspielt. Deshalb waren mir solche Positionierungen seit Langem suspekt, und die geschniegelten Bürschchen, die sich früh im Leben schon bei den Konservativen eingereiht haben, waren mir eher unsympathisch ob ihrer unangemessenen Selbstsicherheit, weil ich schon immer die Meinung vertreten habe, dass einem erst das Leben die Richtung weist.

John Lennon, den wir kollektiv als Beatles-Fans früh in den Stand der Heiligkeit erhoben hatten, hat mit seinem Song „Power to the People“ sicher eine linke Position eingenommen und wurde auf der Straße erschossen, bevor ihn das Leben ereilt hatte. Auf unseren T-Shirts war Che Guevara häufiger vertreten als das heute oft gesehene „Fuck You“, mit dem ein Widerwille gegen einfach alles geäußert wird, während unsere Beflockung ja, neben der coolen Optik des Mannes, auch als politische Aussage gedacht war. Das Herz schlug bei allen links, die jung waren und hip sein wollten.

Beim letzten Klassentreffen im Kulmbacher Gasthaus Zum Seelöwen traf ich auf eine Resttruppe, von denen sicher keiner mehr Die Linke gewählt hatte. Wir waren uns aber alle einig, dass eine neue politische Kraft namens AfD nicht die Lösung sein kann, die sich quasi von Shitstorms ernährt und Empörung und Unzufriedenheit schürt. Statt sachliche Diskussionen zu führen und gemeinsam mehrheitsfähige Lösungen zu erarbeiten, für die sie Kompromisse eingehen müsste, erschöpft sie sich darin, dagegen zu sein – gegen die anderen Parteien und in letzter Konsequenz auch gegen das Grundgesetz. Auch wenn die AfD deswegen vielleicht verboten gehört, bin ich der Meinung, dass man eine politische Kraft ab einem gewissen Zuspruch der Bevölkerung nicht mehr totschweigen kann. Da halte ich es, vielleicht beruflich bedingt, mit der Quote: Was eine Mehrheit im Fernsehen oder im Parlament sehen will, können wir nicht ignorieren. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Das fiele sicher leichter, wenn es mehr Köpfe gäbe, an denen man sich orientieren möchte und könnte.

Vor über dreißig Jahren, im November 1992, habe ich mich selber einmal daran versucht. Das Ergebnis war ein früher Shitstorm, den ich leicht verwundet überlebte, bevor das Internet diese Schlechtwetterfront für jedermann erlebbar machte. Leicht verwundet, was meine öffentliche Wahrnehmung betraf, aber schwer verwundet in Bezug auf mein Selbstwertgefühl. Franz Schönhuber, dem ich damals die öffentlichen Prügel verdankte, hatte ich als Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks kennengelernt, der meine Fernsehkarriere durchaus gefördert hat. Immerhin schickte er mich mit der Musikshow „18-19-Musik“ für das Bayerische Fernsehen durch die Provinz, eine Show, in der ich bayerische Nachwuchsmusiker in ihren Heimatstädten aufstöberte. Dieser öffentlich-rechtliche Vorgesetzte wurde in den Augen des autoritätsgläubigen Newcomers, der ich damals war, nicht infrage gestellt und auch nicht unter die „Dumpfbacken“ einsortiert, die einem im politischen Bereich so häufig begegnen. Aber Schönhuber war der Urvater und Vorsitzende der rechtslastigen Republikaner, die in den Neunzigern einen ähnlich negativen Wirbel machten wie die AfD heute. In „Gottschalk Late Night“ wollte ich dem Mann beherzt die Stirn bieten und konnte mir nicht vorstellen, dass ein öffentlich-rechtlicher Würdenträger von allen guten Geistern verlassen sein würde. Die Tatsache, dass er eine türkische Schwiegertochter hatte, sprach zudem gegen Rassismus und war für mich Zeugnis seiner Weltläufigkeit. Ich scheiterte vor den Augen meines Publikums in diesem TV-Gespräch auf ganzer Linie. Mein Glaube an den Satz „Solange sie reden, schießen sie nicht“ war nach dieser Begegnung schwer erschüttert.

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