Nach dem Solinger Terrorattentat hat die Ampel im Eilverfahren ein „Sicherheitspaket“ beschlossen. Doch die Kritik daran reißt nicht ab – auch nicht aus den eigenen Reihen. Doch die Regierung kann auch Erfolge vorweisen.

Diesmal wollte die Ampel alles richtig machen: schlagkräftig auftreten, nichts zerreden, beweisen, dass auch eine Dreierkoalition zu schnellen Beschlüssen fähig ist. Der islamistische Terroranschlag von Solingen mit drei Toten – das hatten sich die Ampelchefs fest vorgenommen – sollte nicht folgenlos bleiben.

Innerhalb von zwei Wochen schnürte und beschloss die Ampel ein „Sicherheitspaket“, das eine ganze Reihe von Gesetzesverschärfungen vorsieht: mehr Polizeibefugnisse, eine Ausweitung von Messerverbotszonen und eine Leistungskürzung für sogenannte Dublin-Flüchtlinge.

Doch nun droht die Regierung, Opfer ihres eigenen Tempos zu werden. Denn das Sicherheitspaket steckt weiterhin im parlamentarischen Prozess fest. Die Ampelpartner sehen noch große Mängel in den aktuellen Gesetzentwürfen. Am Dienstag berieten die Koalitionäre nach t-online-Informationen über zwei Stunden – ohne zu einem vorzeigbaren Ergebnis zu kommen.

Polizisten stehen nach dem Terroranschlag von Solingen in der Innenstadt. (Quelle: Thomas Banneyer/dpa/dpa-bilder)

Damit wackelt der einst avisierte Zeitplan. Ursprünglich war die Idee, das Sicherheitspaket in der nächsten Woche im Bundestag zu beschließen, damit es rechtzeitig am 18. Oktober den Bundesrat erreicht und bald in Kraft treten kann. Dass das klappt, bezweifeln mittlerweile auch führende Ampelpolitiker. „Das wird sportlich“, sagt einer zu t-online.

Das Problem: Der Kabinettsentwurf zum Sicherheitspaket ist an kritischen Stellen vage – und möglicherweise rechtswidrig. Entsprechend hart fiel das Urteil mehrerer Experten in einer Anhörung des Innenausschusses Ende September aus. Teils zerpflückten sie die Ampelpläne regelrecht. Von einem „sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau“ sprach etwa der Rechtsexperte Dennis-Kenji Kipker von der Uni Bremen. Andere warfen der Ampel fachliche Fehler vor oder zweifelten an der Vollzugsfähigkeit.

Doch auch regierungsintern rumort es: FDP und Grüne stören sich vor allem an der umfangreichen Datenspeicherung, die Ermittler im Zuge des biometrischen Abgleichs mit öffentlichen Daten im Netz erstellen könnten. Im linken SPD-Flügel teilt man die Bedenken, kritisiert aber auch einen weiteren Punkt: die Leistungskürzung für sogenannte Dublin-Flüchtlinge. Den Ampelplänen zufolge soll ein Teil der Asylbewerber, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist, künftig nur noch Lebensmittel, einen Schlafplatz und Drogerieartikel erhalten.

Flüchtlinge vor einer Unterkunft in Berlin-Hellersdorf: Künftig nur noch Bett, Brot und Seife? (Quelle: Britta Pedersen/dpa)

Widerstand in der Kanzlerpartei

Wie heftig der Gegenwind in der Sozialdemokratie ist, zeigte kürzlich ein offener Brief, unterschrieben von Tausenden SPD-Mitgliedern. Die Unterzeichner warfen führenden Sozialdemokraten vor, mit der Debatte über Leistungskürzungen rechte Diskurse zu befeuern. Der Aufruf traf auch in der SPD-Fraktion auf breite Unterstützung. „Wir teilen Eure Trauer, Eure Wut und Eure Zweifel“, heißt es in einer Antwort von 35 Bundestagsabgeordneten.

Einer der 35 ist der Co-Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL) der SPD-Fraktion, Tim Klüssendorf. Er sagt t-online: „Dass wir mit dem Leistungsausschluss Menschen womöglich in die Obdachlosigkeit treiben, löst für niemanden ein Problem, sondern schafft vielmehr neue. Hier müssen wir unserer humanitären Verantwortung gerecht werden.“

SPD-Abgeordneter Klüssendorf: „Hier müssen wir unserer humanitären Verantwortung gerecht werden.“ (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner/imago-images-bilder)

Hoffen auf die Verhandler

In der SPD hofft man nun auf die beiden Verhandler, die für die Sozialdemokraten das Paket mit den anderen Ampelpartnern ausklamüsern: Fraktionsvize Dirk Wiese und der innenpolitische Sprecher der SPD, Sebastian Hartmann. Dass die Leistungskürzung bei Dublin-Flüchtlingen zurückgenommen wird, erwartet allerdings kaum jemand. „Ich gehe davon aus, dass es an diesem Punkt ein symbolisches Entgegenkommen geben wird, aber keine substanzielle Änderung“, so ein Genosse zu t-online.

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