Mit Hilfe von Google macht eine Studentin den Klimawandel rund um Berlin digital erfahrbar. Auf einer Karte verzeichnet sie die Orte der Katastrophe.

Früher glitzerte die Oberfläche verlockend blau in der Brandenburger Sommersonne, nun erinnert nur noch ein trauriges Schlammloch an wasserreiche Zeiten: Der Fresdorfer See war 20.000 Jahre alt, heute gibt es ihn nur noch auf veralteten Landkarten. Wenige Hundert Meter entfernt harrt der Große Seddiner See eines ähnlichen Schicksals. Jahr für Jahr gehen seine Ufer weiter zurück, wo das Wasser noch vor wenigen Jahren zu tief für Nichtschwimmer war, kann man jetzt entlanglaufen.

Ähnliches passiert derzeit überall in Brandenburg: Das traditionsreiche Freibad am Straussee östlich von Berlin ist nur noch Kulisse – in der Saison 2024 bleibt es den sechsten Sommer in Folge geschlossen. Die Schwarze Elster, ein Nebenfluss der Elbe, trocknet regelmäßig aus. Im Fläming sind die Pegelstände der Plane und der Nieplitz viel zu niedrig. Seewasser verdunstet in der Sonne, Zuflüsse verschlammen, der Wasserbedarf von Mensch und Industrie tut das Übrige. Insbesondere rund ums Tesla-Werk in Grünheide ist das nicht zu übersehen, auch wenn Tesla-Chef Elon Musk die Sorgen der Anwohner gerne weglachen würde.

Map zeigt Schlammlawinen und andere Katastrophen

Dicht an dicht zeigen Marker an, wo sich der Klimawandel in Berlin und Brandenburg bemerkbar macht. Wasserknappheit, Extremwetter, Verlust von Biodiversität, invasive Arten. Wiederkehrende Schlammlawinen im Dorf Ragösen bei Bad Belzig. Ernteausfälle in Wulkow im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Überwinternde Weißstörche in Berlin. Amerikanische Sumpfkrebse im Tiergarten.

Das Besondere: Die Karte ist interaktiv. Nutzer können dazu beitragen, den fortschreitenden Klimawandel sichtbar zu machen. „Anstatt mit abstrakten Kennzahlen, hofft das Projektteam, durch konkrete Geschichten emotional nachvollziehbar zu machen, wie stark uns der Klimawandel bereits heute betrifft – und das direkt vor unserer Haustür“, schreibt die Studentin.

Klimawandel-Puzzleteile fügen sich zu Gesamtbild

Google hat sie bei der Entwicklung unterstützt, Zugriff auf Technologien gewährt, einen Ansprechpartner für technische Fragen gestellt und bei der Konzeptionierung der App beraten. Nun kann jeder mitmachen und zum Beispiel Fotos von vertrockneten Buchen oder überschwemmten Feldern hochladen sowie Beobachtungen aus dem eigenen Garten teilen.

Lina Pfeiffer. (Quelle: Climate Stories Map/L. Pfeiffer)

Die Studentin und ihr Projekt

Die Berlinerin Lina Pfeiffer studiert „Public Policy“ sowie „Digitale Medien & Informationswissenschaften“. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der University of Glasgow entstand die „Climate Stories Map“. Die Planung begann Anfang 2023, Hauptentwicklungsphase war von Juni bis August. Seit März 2024 ist die bislang auf Berlin und Brandenburg beschränkte Karte öffentlich zugänglich.

Aus vielen persönlichen Eindrücken entsteht so ein regionaler Überblick, einzelne Daten setzen sich wie Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammen. „Die Idee ist, dass Menschen sich mit den Stories auf der Karte identifizieren können und so begreifen, wie wichtig es ist, gegen die Klimakrise aktiv zu werden“, erklärt Pfeiffer.

Berliner Studentin hofft auf viele User – und auf Kooperation

Sie hofft, mit der „Climate Stories Map“ Menschen wachzurütteln und zum Handeln zu inspirieren: Auf einer zweiten Ebene der Karte können sich daher Initiativen und Projekte vorstellen, die etwa Nachhaltigkeit fördern.

Wenn das bislang auf Berlin und Brandenburg beschränkte Projekt gut läuft, soll die „Climate Stories Map“ auf ganz Deutschland ausgeweitet werden, teilt Pfeiffer t-online per Mail mit. Perspektivisch möchte sie auch die Google Earth Engine zum Klimafolgen-Tracking einbinden, um anhand von Satellitenbildern dazustellen, wie sich die Natur verändert. Um die Qualitätssicherung weiter auszubauen, würde sie zudem gerne langfristig mit einer Umweltorganisation kooperieren.

Aktuell prüft Pfeiffer jeden User-Beitrag vor der Veröffentlichung händisch. „Da es sich um persönliche Erfahrungen handelt, kann ich die Richtigkeit der Angaben nicht immer verifizieren“, schreibt sie. Nutzer können allerdings Links zu externen Quellen einfügen, um ihre Einträge zu belegen. Außerdem haben andere User die Möglichkeit, Informationen zu bestätigen oder auch zu korrigieren. Mit der Zahl der Nutzer sollte daher die Verlässlichkeit steigen: „Diese Art der Selbstmoderation funktioniert auf Plattformen wie Wikipedia bereits sehr gut“, hebt Pfeiffer hervor. Jetzt müssen nur noch reichlich User die Karte befüllen, dann könnte das Projekt zum Selbstläufer werden.

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