„Was war das denn?“
Letzte Sitzung: Bundestag verabschiedet sich zerstritten
11.02.2025 – 12:48 UhrLesedauer: 3 Min.
In einer intensiven letzten Bundestagssitzung vor der Neuwahl gerieten die Parteien aneinander. Besonders Olaf Scholz und Friedrich Merz attackierten einander scharf.
In der letzten Bundestagssitzung vor der Neuwahl am 23. Februar lieferten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) einen intensiven Schlagabtausch. Auch Vertreter anderer Parteien sorgten mit teils scharfen Attacken und kontroversen Forderungen für hitzige Wortgefechte. Themen waren unter anderem Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit, Klimapolitik und Migration.
Scholz eröffnete die Debatte mit einer scharfen Kritik an Merz und der Union. Er warf dem CDU-Chef vor, mit seiner Migrationspolitik den europäischen Zusammenhalt zu gefährden: „Konrad Adenauer hat Europa geeinigt, Helmut Kohl hat Europa gestärkt, Angela Merkel hat Europa zusammengehalten. Und Friedrich Merz tritt an, Europa zu Grabe zu tragen?“ Zudem kritisierte er die Steuerpläne der Union als zutiefst ungerecht: Während das reichste Prozent jährlich Steuergeschenke von 34.000 Euro bekäme, würde eine Friseurin nur um zehn Euro im Monat entlastet.
Scholz warb für einen höheren Mindestlohn von 15 Euro und sprach sich für eine Reform der Schuldenbremse aus. Zudem schlug er einen Steuerbonus für Unternehmen vor, die in Deutschland investieren.
Merz hielt dagegen und eröffnete seine Rede mit den Worten: „Was war das denn? 25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer.“ Er warf der Ampel-Regierung wirtschaftliches Versagen vor: „50.000 Unternehmensinsolvenzen in Ihrer Amtszeit, 100 Milliarden Euro Kapitalabfluss jährlich – das ist Ihre Bilanz, Herr Scholz!“ Die Regierung habe mit „Trickserei“ versucht, Corona-Kredite für den Klima- und Transformationsfonds umzuwidmen, was das Bundesverfassungsgericht gestoppt habe. Auch die geplanten Steuererhöhungen der SPD kritisierte er scharf.
Merz bekräftigte zudem, dass es mit ihm keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde, verwies jedoch darauf, dass die Ampel-Politik zur Stärke der rechtspopulistischen Partei beigetragen habe.
Habeck: „Die Union will das Deutschlandticket kippen“
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) warf der Union vor, den Klimaschutz und soziale Projekte zu gefährden. Besonders beim Deutschlandticket zeigte er sich empört: „Die Union zweifelt das Deutschlandticket an, will aber Einkommen stärker entlasten. Das zeigt, wem Sie wirklich helfen wollen!“
Habeck betonte, dass bereits 60 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammten und weitere Genehmigungen für zusätzlichen Ausbau erteilt seien. Deutschland dürfe nicht zurückfallen: „Wenn wir den Klimaschutz schleifen lassen, werden uns andere Länder auslachen!“ Auch in der Wirtschaftspolitik müsse mehr investiert werden – finanziert durch eine stärkere Besteuerung von Superreichen.
FDP-Chef Christian Lindner warf Scholz und Merz Konzeptlosigkeit vor. Das TV-Duell der beiden am Sonntag sei „erschütternd ideenlos“ gewesen. Er forderte eine Senkung der Unternehmenssteuern, um im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden. Zudem brachte er erneut die Abschaffung des Umweltbundesamts ins Gespräch, um Staatsausgaben zu reduzieren.
Lindner konnte sich dabei einen Seitenhieb auf Scholz nicht verkneifen: „Willy Brandt hat den Friedensnobelpreis bekommen, Olaf Scholz bewirbt sich wohl um den für Physik – er hat schließlich bewiesen, dass Paralleluniversen existieren.“
Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warf der Union vor, mit ihren Steuerplänen vor allem die oberen zehn Prozent zu entlasten, während Gelder für Bildung und Infrastruktur fehlen würden. Sie kritisierte auch die Blockadehaltung beim Thema Mietpreisbegrenzung und soziale Gerechtigkeit: „Viele Menschen fragen sich, warum sie sich kein Zuhause mehr leisten können – und die Antwort ist, dass konservative Parteien sich nicht für sie interessieren.“
Für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sprach Wagenknecht selbst – und begann mit einer direkten Attacke auf Scholz, der den Saal während ihrer Rede bereits verlassen hatte: „Der ist auch schon weg“, stellte sie trocken fest. Sie warf Scholz vor, die Augen vor der Realität zu verschließen und betonte, dass die Bundesregierung in zentralen Fragen versagt habe.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sorgte mit provokativen Aussagen für Unruhe im Plenum. Als nach Zwischenrufen aus den Reihen der Grünen sprach sie von einem „geifernden Kindergarten“, woraufhin Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zur Ordnung rief. „Wir sind hier nicht auf dem Fußballplatz“, mahnte sie.
Ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla freute sich offen über das Ende der Ampel-Regierung und sprach von einer Politik des „Pokerns mit Deutschlands Zukunft“.
Heidi Reichinnek (Linke) setzte sich für eine stärkere Besteuerung der Reichen ein: „Wir sind die Linke, und wir finden: Es sollte keine Milliardäre geben.“ Sie forderte zudem eine Erhöhung des Rentenniveaus von derzeit 48 auf 53 Prozent und kritisierte die ungleiche Verteilung des Wohlstands in Deutschland. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht warf Scholz schließlich vor, er lebe in einer Parallelwelt.
Als letzter Redner sprach Kevin Kühnert, der sich im Herbst aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückgezogen hatte. „Opportunität schlägt Integrität“, warf Kühnert Friedrich Merz mit Blick auf das TV-Duell vor. In diesem Fernsehduell war Merz der Frage nach dem Parteiaustritt des jüdischen Publizisten Michel Friedman als Reaktion auf Merz‘ Abstimmungsverhalten gemeinsam mit der AfD ausgewichen.