Die Stiftung dementiert. Medwedtschuk-Verbündete auf dem Podium, „Voice of Europe“ im Publikum, ein angeblicher Auftrag des ungarischen „European Conservative“ an den Organisator – und ein Journalist, der offenbar für beide Medien arbeitet. Das ist die Konstellation der denkwürdigen Ukraine-Konferenz in München im Juli 2023. Sie ist aber noch nicht vollständig.
Ebenfalls auf dem Podium sitzt derjenige, der Orbáns Regierungslinie im Auftrag des Mathias Corvinus Collegiums nach Brüssel trägt: der britische Soziologe Frank Furedi, der den dortigen Ableger der Stiftung leitet und auch für das Partnermedium „European Conservative“ schreibt.
Seine Position wird in der Einladung nicht erwähnt. „Voice of Europe“ widmet seinem Redebeitrag aber einen ganzen Artikel und zitiert ihn: „Orbán ist eines der wenigen Staatsoberhäupter, die zu Protokoll gegeben haben, dass der Frieden wirklich, wirklich wichtig ist.“
Kooperierte die Stiftung mit „Voice of Europe“? War sie in die Organisation der Münchner Ukraine-Konferenz eingebunden?
Das zumindest könnte ein mysteriöses Angebot der „Vereinigung Europäischer Journalisten“ im Zuge der Einladung erklären: Im Auftrag „einer politischen Stiftung“ suche sie zwei „schreibfreudige, jüngere, offene“ Journalisten für eine Recherchereise in die Ukraine. Das Angebot: für zwei Wochen 3.500 Euro Honorar pro Person plus Kost und Logis. Die Betreuung vor Ort sei sichergestellt. Gesprächspartner seien unter anderem Politiker, Verbände und Medien.
Schneider und der VEJ-Vorstand wollen dazu keine Fragen beantworten – auch nicht, um welche Stiftung es sich bei den Sponsoren handelt oder wo die Beiträge veröffentlicht wurden. Das MCC in Budapest lehnt ebenfalls eine Stellungnahme ab. Das MCC Brüssel gibt an, weder in die Konferenz noch in die Ausschreibung involviert gewesen zu sein.
Der Pressesprecher des MCC Brüssel schreibt: „Herr Furedi hat von alledem keine Ahnung, und dies ist das erste Mal, dass er jemals von ‚Voice of Europe‘ gehört hat.“ Das MCC Brüssel habe keine Beziehungen dorthin unterhalten. Auf das Podium in München sei Furedi als Privatperson eingeladen gewesen. Weitere Fragen beantwortet der Sprecher nicht.
Im Oktober 2023 aber, wenige Wochen nach der Konferenz in München, wird Furedi gemeinsam mit dem Chefredakteur des „European Conservative“ bei einer rechten Konferenz in Italien auftreten. Moderator des dortigen Podiums ist derselbe Autor des ungarischen Magazins, der für „Voice of Europe“ arbeitete und über die ominöse Umfrage der deutschen Lobbyisten berichtete.
Schnittstelle Budapest-Brüssel. Im Oktober 2023 taucht auch ein überraschender Gast im Umfeld des MCC auf: Henri Malosse, Medwedtschuks Mann in Brüssel. Damals hat er einen Termin mit dem wichtigen Orbán-Berater Balasz Orban, der das Kuratorium des MCC leitet. Gemeinsam sprechen sie über dessen neues Buch, das einen Insider-Blick in die Strategie der ungarischen Regierung verspricht. Im März 2024 lädt das MCC Malosse dann zu einer Diskussion nach Ungarn ein.
Was zunächst überraschend scheint, ist nur folgerichtig: Seit Jahren hat Malosse Kontakte in die vom ungarischen Staat geförderten zivilen Strukturen und hilft ihnen, die Fidesz-Agenda nach Brüssel zu tragen. Dafür hat er einen Posten, den er im Telefonat mit t-online herunterzuspielen versucht. Geld für sein Engagement dort erhalte er nicht. Schriftliche Anfragen hierzu bleiben unbeantwortet.
Malosse ist Vorstandsmitglied des sogenannten „Europäischen Rats für zivile Zusammenarbeit“ (EuCET) in Budapest, der auf das ungarische „Zivilsolidaritätsforum“ zurückgeht. Das Forum organisiert seit vielen Jahren unter dem Deckmantel einer staatsfernen Gruppe Pro-Orbán-Großdemonstrationen in Budapest und lässt für diese auch Sympathisanten aus den Nachbarstaaten per Shuttlebus herbeischaffen.
Mit einem solchen vermeintlichen „Friedensmarsch“ sollten zuletzt vor der Europawahl Fidesz-Wähler mobilisiert werden. Orbán sprach persönlich zu den Teilnehmern. Einer von ihnen war Malosse.
Das EuCET, dem der Franzose vorsteht und dem sein Thinktank angeschlossen ist, soll dabei europaweit die Aufgabe übernehmen, die dem ungarischen Forum in Budapest zugedacht ist und wofür es auch mit staatlichen Geldern ausgestattet wird: eine vermeintliche Zivilgesellschaft im Sinne der Partei und ihrer Verbündeten zu organisieren.
Dafür sucht der Rat laut eigener Aussage enge Beziehungen zur Fraktion der „Patrioten für Europa“ im Europaparlament. Also der Fraktion, die von Fidesz mitgegründet wurde.
Für die Lobbyarbeit ist dabei auch Orbáns Linie gegenüber Putin entscheidend, welche den sogenannten „Friedensmarsch“ prägt: „Schnellstmöglicher Waffenstillstand“ ist laut einer Grundsatzerklärung des EuCET das Ziel – ähnlich den Forderungen des Oligarchen Medwedtschuk, der Russland damit Einfluss in der Ukraine sichern will.
Auf dieses Ziel arbeiten sowohl Malosse, als auch Medwedtschuk offenbar weiterhin zu: Im November lotsten Medwedtschuk-Vertraute mehrere AfD-Abgeordnete zu einem russischen Gipfel nach Sotschi, wie t-online exklusiv berichtete. Malosse nahm zuvor zum selben Thema Kontakt zu mehreren BSW-Abgeordneten auf, wie t-online nun belegen kann. Einer von ihnen steuerte schließlich ein Grußwort zur Konferenz bei.
Auch Malosse selbst nahm teil und debattierte über Krieg und Frieden mit den Invasoren. Mittlerweile darf er offenkundig wieder nach Russland einreisen.