Mit ihrer Aktion auf Instagram hat Ricarda Lang genau das erreicht, was sie erreichen wollte: Aufmerksamkeit. Aber nicht nur Aufmerksamkeit für sich selbst, sondern in diesem Fall ganz konkret für die immer rauer werdende Sprache, die einem auf sozialen Medien begegnet. Das sollten wir als Gesellschaft nicht tolerieren – und tun es dennoch jeden Tag.
Zugleich beleuchtet Lang einen bestimmten Aspekt von Hassrede, der speziell ihr begegnet: der Hass auf eine Frau, die es wagt, nicht spindeldürr zu sein. Um es deutlich zu sagen: auf eine Frau, deren Körper nicht in die Schönheitsvorstellungen vieler Männer passt. Die Kommentare, die sie auf ihrem Profil hervorgehoben hat, zeigen das deutlich: „Mastsau“, „Pommespanzer“ und „Hängebauchschwein“ schreiben die Männer dort. Das ist widerwärtig. Jeder, der so über eine andere Person spricht, sollte sozial geächtet werden.
Das passiert in der Realität aber nicht. Hassrede in sozialen Medien bleibt oft folgenlos. Es ist also gut, dass Ricarda Lang ihre Plattform nutzt, um darauf aufmerksam zu machen. Damit gibt sie all denen Mut und Zuversicht, die ähnliche Erfahrungen machen und sich machtlos fühlen. Oder noch schlimmer: Die den Kommentatoren Glauben schenken und sich deshalb wertlos fühlen. Indem Ricarda Lang ihren Beleidigern den Mittelfinger zeigt, signalisiert sie anderen Opfern zugleich, dass sie nicht allein sind. Zudem zeigt sie ihnen, wie sie sich wehren können, nämlich indem sie sich bei HateAid melden, einer gemeinnützigen Beratungs- und Unterstützungsstelle, die sich gegen Hass im Netz einsetzt.
Klar, der Welt den Mittelfinger zu zeigen – das ist nicht besonders charmant. Vielleicht gehört es sich auch nicht, als Politikerin so aufzutreten. Vor allem, wenn man noch so jung ist und ein Comeback eines Tages alles andere als ausgeschlossen ist. Aber ganz ehrlich: Warum sollte Ricarda Lang denn jetzt charmant sein? Sie steht nicht als Stellvertreterin eines höheren Amtes in der Öffentlichkeit, muss also auch nicht staatstragend wirken. Die Hasskommentare, die sie jeden Tag lesen muss, machen sie wütend und das zeigt sie auch. Warum auch nicht?
Wer sich über eine Frau aufregt, die auf Instagram denjenigen den Mittelfinger zeigt, die sie aufs Übelste beleidigen, sollte sich vielleicht fragen, was genau daran so stört – und warum es nicht die Beleidigungen selbst sind, die dieses Störgefühl auslösen.










