Wie können Extremisten aus Ämtern und Parlamenten ferngehalten werden? SPD-Innenminister prüfen, wie man ihnen die Wählbarkeit entziehen kann – und wollen vielleicht nachschärfen.

Kleine Runde, sehr vertraulich: Die SPD-Innenminister und -Senatoren der Länder tagten am Freitagmorgen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin. Alles drehte sich dabei um die Frage: Wie können wir den Staat vor Rechtsextremisten schützen?

Auch über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren wurde nach Informationen von t-online gesprochen. Hier aber sind die Rechtsunsicherheiten noch hoch, zudem stehen wichtige Gerichtsverfahren aus – vor allem eine Auseinandersetzung zwischen AfD und Verfassungsschutz im März vor dem Verwaltungsgericht Münster wird mit Spannung erwartet. Dort wird die Frage geklärt, ob der Verfassungsschutz die AfD als bundesweiten rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen darf.

Untätig aber wollen die SPD-Politiker bis dahin nicht bleiben. Sie loten nach Informationen von t-online nun eine Reihe niedrigschwelligerer Möglichkeiten aus, wie man Rechtsextremisten mit den Mitteln des Rechtsstaats in ihre Schranken weisen kann – und wollen bereits bestehende Instrumente gegebenenfalls nachschärfen.

Ein brisantes Instrument, das die SPD-Politiker nun neben anderen in den Fokus nehmen: Möglichkeiten, Verfassungsfeinden die Wählbarkeit zu entziehen. Also sie daran zu hindern, sich zur Wahl aufstellen zu lassen und ein öffentliches Amt zu bekleiden.

Hamburgs Innensenator Andy Grothe sagte t-online, es gehe darum, die Resilienz der Demokratie und ihrer Institutionen zu stärken. „Wir müssen die bereits existierenden Schutzmechanismen überprüfen. Das betrifft unter anderem die Frage, ob und wie Extremisten, die nachweislich verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, von der Wahl in Parlamente und politische Ämter ausgeschlossen werden können.“

Grundrechteentzug ist nur ein Weg

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Menschen in Deutschland ihre Wählbarkeit, oft auch das Wahlrecht selbst verlieren können. Eine davon wurde in den vergangenen Wochen prominent diskutiert: der Grundrechteentzug nach Artikel 18 des Grundgesetzes.

Eine Petition mit dem Titel „Stoppen Sie den Faschisten Björn Höcke“ hatte diese Maßnahme mit Blick auf den Thüringer AfD-Chef gefordert. 1,6 Millionen Menschen hatten unterschrieben, Anfang Februar wurde die Petition an mehrere Fraktionen im Bundestag übergeben.

Die Grundrechte können verwirkt werden, wenn Rechte wie die freie Meinungsäußerung „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“ werden. Einen Antrag darauf können aber nur die Bundesregierung, der Bundestag oder eine Landesregierung stellen.

Und: Da es um die so wichtigen Grundrechte geht, sind die Hürden hoch. In der Geschichte der Bundesrepublik wurden bisher vier Anträge auf Grundrechtsentzug nach Artikel 18 gestellt, alle richteten sich gegen Rechtsextremisten – keiner war erfolgreich.

Wählbarkeit wegen Straftaten aberkennen

Doch es gibt auch noch eine andere Möglichkeit: die Einschränkung der Wählbarkeit bei rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen. Die dürften SPD-Innenpolitiker nun in den Fokus nehmen und prüfen, wo die Schwellen liegen und ob sie gesenkt werden könnten.

In der AfD könnte es so für einige brenzlig werden – immer wieder stehen Politiker vor Gericht, immer wieder werden sie auch verurteilt. Volksverhetzung, Körperverletzung oder Steuerhinterziehung sind nur ein paar Delikte, deretwegen Richter in der Vergangenheit AfDler für schuldig befanden.

Die Regelungen zum Verlust der Wählbarkeit bei strafrechtlichen Verurteilungen aber sind kompliziert. Sie sind im Bundeswahlgesetz und im Strafgesetzbuch geregelt, hier besonders im Paragrafen 45.

Wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einer Ausarbeitung erklärt, verliert die Wählbarkeit und die Fähigkeit, öffentliche Ämter wahrzunehmen, automatisch, wer „wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr“ verurteilt wird. Darunter fallen demnach Mord, Totschlag, Raub, Körperverletzung mit Todesfolge, schwerer sexueller Missbrauch oder Rechtsbeugung. „Der Rechtsverlust nach § 45 Abs. 1 StGB wird mit Rechtskraft des Urteils wirksam und dauert fünf Jahre an“, schreibt der Wissenschaftliche Dienst.

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